Diesseits von Gut und Böse: Suboptimale Weltrettung

Nr. 44 –

«Pars pro toto», erklärte einst unser Lateinlehrer, bedeute, das grosse Ganze zeige sich schon in einem kleinen Teil. Daran musste ich denken, als ich las, dass die israelische Energieministerin Karine Elharrar am Montag nicht am Klimagipfel in Glasgow teilnehmen konnte, sondern zwei Stunden in der Kälte sass und dann ins Hotel zurückkehrte: Sie kam mit ihrem Rollstuhl nicht ins Konferenzgebäude, weil dieses nicht barrierefrei ist. Und weil es schier nicht zu fassen ist, hier gleich noch mal: Das Gebäude, in dem die Staatenlenker:innen der Welt derzeit vorgeben, gemeinsam die Erde retten zu wollen, IST NICHT BARRIEREFREI!

Der britische Umweltminister soll den Vorfall bedauert, aber auch mangelnde Kommunikation moniert haben: Israel hätte «über diese besondere Anforderung für ihre Ministerin» informieren müssen. Bei einer Konferenz mit mehreren Hundert Teilnehmenden muss also ein Mensch im Rollstuhl extra angekündigt werden?

Aber es geht ja nicht nur um diese Konferenz, sondern um die Folgen der Klimaerwärmung, die Menschen mit Behinderung ganz besonders bedrohen. Weil diese, ebenso wie alte Menschen oder Schwangere, häufig gar nicht in die Rettungsplanung einbezogen werden, Evakuierungswege mit dem Rollstuhl nicht passierbar sind oder es kein Infomaterial für Seh- und Hörbehinderte gibt, fordert die gemeinnützige Hilfsorganisation Handicap International auch eine inklusive Katastrophenvorsorge.

Das macht mich alles ein bisschen mutlos. Ich fürchte, der Mensch ist – vor allem, wenn er in Massen auftritt – einfach nicht besonders gut geeignet, strukturierte Pläne zu machen und diese auch in der beabsichtigten Zeit umzusetzen. Eigentlich ist der Homo sapiens ein Homo procrastinans.

Oder glauben Sie etwa, dass die Schweiz die Zielvorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes bis Ende 2023 erreicht? Ohne Katastrophe. Mit will ich mir lieber gar nicht erst vorstellen.