WOZ News

Nr. 10 –

Umorientierte

Alles nur Krieg, Krieg, Krieg? Zum Glück nicht. Allenthalben wurde vergangene Woche über Melinda Gates berichtet, die sich öffentlich zur Trennung von Ehemann Bill äusserte, zum Beispiel auf bluewin.ch: «… erzählte Gates auch, dass sie sehr viele Tränen vergossen habe und am Boden zerstört gewesen sei. Jetzt fühle sie sich wieder besser. Ein neues Kapital habe begonnen und sie freue sich auf das, was das Leben für sie bereithalte.» Wenn wir uns einen Tipp erlauben dürfen (da es am Geld nicht zu fehlen scheint): Das Leben hält Lektüre bereit, zuallererst Karl Marx, «Das Kapital».

Schöngeredete

«Von einer Massenentlassung könne nicht die Rede sein, da es sich um einen Konkurs handle», zitierte das Nachrichtenportal «Watson» das in Zug ansässige, zum russischen Gazprom-Konzern gehörende und nach wenigen Kriegstagen eingestellte Unternehmen Nord Stream 2. Eine womöglich nicht ganz arbeitsrechtskonforme Sichtweise. Aber wer wird hier nicht fünf gerade sein lassen, wenn die Formulierung dazu beiträgt, die Entlassenen zu trösten.

Vereinssportliche

Gazprom scheint schon vorher nicht über unbegrenzte Mittel verfügt zu haben, wenn man der NZZ glaubt: «Jedes Jahr fliesst ein zweistelliger Betrag des unter staatlicher Kontrolle stehenden russischen Unternehmens in die Kasse der Uefa und von dort an die Klubs zurück.» Der Rubel rollt dann wohl direkt in den Erwerb eines neuen Trikots – dessen Träger:in jetzt aber schön auf der Ersatzbank bleiben soll. 

Nächstenliebende

Uefa-Beiträge hin oder her, der FC St. Gallen spielte jüngst zu Hause gegen Sion nur 1:1 unentschieden. Das scheint man am Ort der vergebenen Chance aber gemäss «Schaffhauser Nachrichten» gelassen hinzunehmen: «St. Gallen vergibt dem Heimsieg». Es ist wohl kein Wunder, bricht sich gerade in der Hochburg des Katholizismus diese christliche Haltung Bahn. Sie wird überdies dazu beitragen, das sorgfältig gepflegte Underdog-Image des FC St. Gallen zu festigen.

Übergriffige

«Meine Frau wird im Frühling offiziell pensioniert und bezieht ab dann Ihre AHV. Kann sie den Bezug des Säule-3a-Kontos staffeln?», fragte ein Leser den Geldberater der «SonntagsZeitung». Unseres Erachtens gehört die Frage in die Rubrik «Die Polizei warnt». Denn hier scheinen wir es mit einer neuen Variante des Oma-Tricks zu tun zu haben: Rüstige Rentnerinnen lauern am Briefkasten und fangen Ihre AHV ab.

Prophetische

Eine andere Zuschrift an den erwähnten Geldberater der «SonntagsZeitung» lautet: «Befolgen Sie Ihre all Ihre [sic] Empfehlungen selbst und kaufen und verkaufen Sie all die Aktien jeweils selbst?» Dessen Antwort: «Nein. Wenn ich alle Einschätzungen, die ich über all die Jahre publiziert habe, befolgen würde, müsste ich über ein riesiges Vermögen verfügen – was nicht der Fall ist.» Nicht schlecht: Der Mann entsagt den Verlockungen des Mammons und schreibt sich weiter die Finger wund; dafür wächst sein Selbstbewusstsein ins Unermessliche.

woznews@woz.ch