Diesseits von Gut und Böse: Welcome im Knast
In Zürich zeigte sich das herzliche Gastgeberland Schweiz wieder mal von seiner sympathischsten Seite: Man lud die Bevölkerung ein, das neue «Gefängnis Zürich West» zu testen. Auf die Idee muss man erst mal kommen – Hotelleriesuisse dürfte vor Neid erblassen.
832 Personen meldeten sich auf die Einladung – immerhin 0,2 Prozent der Stadtbevölkerung –, 170 durften kommen. Unter ihnen diverse Journalist:innen und Regierungsrätin Jacqueline Fehr, wobei deren Motivation als Justizdirektorin ja nachvollziehbar ist – schliesslich landen Reklamationen letztendlich bei ihr.
Laut Kanton Zürich verliefen die vier Testtage erfolgreich, sie hätten gezeigt, «welche Abläufe bereits gut funktionieren und welche Prozesse noch angepasst werden müssen».
Die Motivation derer, die sich einsperren liessen, reichte von «einmalige Lebenserfahrung machen» bis «endlich in Ruhe ein Buch zu Ende lesen». Die Reporterin des «Tages-Anzeigers» erzählte, sie habe nicht gewusst, worauf sie sich einlasse, und so dürfte es vielen ergangen sein: eingesperrt und dem Gefängnispersonal komplett ausgeliefert zu sein (inklusive Leibesvisitation), macht etwas mit jeder und jedem.
Der grundsätzliche Unterschied zu «echten» Gefangenen dürfte die Rote Karte gewesen sein, mit der die Freiwilligen bei Bedarf signalisieren konnten, dass sie – jetzt! Sofort! – rauswollen. Dass sich manch eine:r die Wirkung blossen Eingesperrtseins nicht vorstellen kann, zeigt sich für mich bei jeder Diskussion über die sogenannte Kuscheljustiz: Für viele Menschen scheint eine Strafe erst durch archaisch anmutende Härte Wirkung zu zeigen.
Um ihre Sozialkompetenz zu stärken, haben Inhaftierte übrigens die Möglichkeit, Monopoly zu spielen. Dass das zum gewünschten Ziel führt, bezweifle ich. Aber gut – ins Gefängnis kann man dort ja auch kommen.