WOZ News

Nr. 16 –

Exegetische

Der Bibelspruch vom Kamel und dem Nadelöhr ist unzählige Male zitiert worden, auch wenn er unter Ausleger:innen umstritten ist. Umstritten scheint auch die Schreibweise des Öhrs: «Nadelöre vermeiden – so schlägst du dem Osterstau ein Schnippchen», munterte bluewin.ch seine Leser:innen auf. Nadelöre – ist das ein bit Coin?
Jürg Fischer

Entsorgte

«Kirchliche Entfremung wächst auch bei Beerdigung», titelte die «SonntagsZeitung». Es ist nett, dass das Blatt eine milde Form der Entfremdung gewählt hat, um es für die Kirche nicht so schwer zu machen. Wir glauben aber, dass die Entfremdung im Falle einer vorgängigen Beerdigung tatsächlich definitiv ist. Jedenfalls unumkehrbar.
Jürg Fischer

Sprachregulatorische

«In Schanghai regelt sich Widerstand und wächst die Wut gegen die Null-Covid-Strategie der Regierung», stellte srf.ch fest. Entgleiste Verben nehmen überhand, schöpfen aber auch neuen Sinn – der den Despotischen zupasskommen dürfte: Der Widerstand ist schon mal geregelt.
Jürg Fischer

Behandlungsfähige

Ja, die Anpassungsfähigkeit der Verben. Letzte Woche war an dieser Stelle die Rede vom Traktieren, das eigentlich ein Tangieren sein sollte. Und nun das aus der «Thurgauer Zeitung»: «Er folgte mir und es gab ein Handgemenge. Dann hat er mich traktandiert.» Hoffentlich nicht unter «Pendenzen». Das heisst nämlich auf Deutsch «Hängiges».
Jürg Fischer

Jammervolle

«Das Leben zu zweit ist ein langer Weg, der oft mit Fallstricken übersät ist», stöhnte blick.ch. Immerhin führt dieses Leben zu einem solch poetischen Bild. Doch irgendetwas irritiert uns daran. Wäre «Das Leben zu zweit ist ein alter Strumpf, der mit Fallmaschen übersät ist» nicht besser? Ach was, vergessen Sie es.
Jürg Fischer

Getestete

In diversen Zeitungen fragt man die Leser:innen immer wieder gern, ob sie wohl die Gymiprüfung geschafft hätten. Eine Aufgabe aus dem letzten Jahr im Kanton Zürich verlangte, aus fünf Begriffen ein Synonym für das unterstrichene Wort in folgendem Satz zu wählen: «Der Mann war untersetzt, mager und breitschultrig.» Abgesehen davon, dass keiner der angebotenen Begriffe zum Adjektiv «untersetzt» – laut Duden: «dicklich, füllig, gedrungen, korpulent» – passte, bildet schon die Eigenschaft «mager» im Originalsatz einen unaufhebbaren Widerspruch dazu. Die Geschichte mit dem dichotomen Satz stammt übrigens von Jürg Federspiel und trägt den Titel: «Schweizer, einem Missgeschick zuschauend».
Karin Hoffsten

Vielseitige

«Alles huscht.» Mit diesem Sätzlein endete im «Tages-Anzeiger» ein Artikel über die altväterische Sitte der preislosen Damenspeisekarte, ohne dass dabei klar geworden wäre, wer da wann und warum mit wem wohin gehuscht wäre. Vielleicht könnten wir dieses Ende künftig zwecks allgemeingültiger Tröstung häufiger einsetzen: Was auch immer passiert auf dieser Welt, es wird nicht ewig dauern, denn bedenke, alles huscht.
Karin Hoffsten

woznews@woz.ch