Diesseits von Gut und Böse: Mal was Schönes
Doomscrolling, das suchtartige Verfolgen schlechter Nachrichten, kann in den Wahnsinn treiben. Knapp davor entschied ich mich kürzlich wieder mal für kompetitive Unterhaltung auf Privatsendern: Sendungen, in denen Menschen – mit was auch immer – gegeneinander antreten und Folge um Folge tränenreich rausfliegen, bis nur noch eine oder einer übrig bleibt, und die man wegen endloser Werbeblöcke nur im Replay-Modus anschauen kann.
Ich begann mit «Germany’s Next Topmodel», wovon ich mich eigentlich für immer fernhalten wollte, und geriet in eine Folge, in der junge und auch ältere Frauen in Rüschengewändern beim Trampolinspringen sexy Posen zeigen sollten. Heidi Klum legt jetzt ja grossen Wert auf Diversität bei den Kandidatinnen, die älteste ist 66.
Als Erste scheiterte Anita. Während Heidi krähte: «Anita, du musst schöne Füsse machen! Und Hände! Dein Gesicht, dein Gesicht!», wandte der Fotograf der verzweifelt hopsenden Anita den Rücken zu und murmelte: «Ich kann gar nicht hinsehen. Es ist peinlich, ich schäme mich.» Am Ende bekannte Anita den Tränen nahe: «Es ist absolut meine Schuld!» Ungefähr so stelle ich mir die Trainings der Schweizer Turnerinnen vor, bevor deren Demütigungen durch die Trainer:innen öffentlich wurden.
Ich wechselte zu «The Voice Kids», wo jeweils drei talentierte Kinder gemeinsam einen Song präsentierten, den sie zuvor unter fachlicher Begleitung einstudiert hatten. Auch hier schied nach jeder Darbietung eins der Kinder aus – so sind die Regeln, wie immer wieder tröstend gesagt wurde.
Doch hier verlaufen die Trainings empathisch und fördernd, und was die Kinder und Teenies zwischen sieben und vierzehn Jahren bieten – vom zarten Stimmchen zwischen niedlichen Segelöhrchen bis zur erwachsenen Performance –, ist umwerfend. Spätestens als Gloria (9) und Michelle (14) «Feeling Good» von Nina Simone sangen, fühlte auch ich mich gut. Wenigstens für einen Abend.