Diesseits von Gut und Böse: Im Hort des Fortschritts

Nr. 24 –

Während ich dem Verbrennen von Strohpuppen noch nie etwas abgewinnen konnte – mein Hirn produziert sofort ungebetene Schreckensbilder –, warten andere Jahr für Jahr drauf, dass dem Böögg endlich der Kopf explodiert, auf dass der Sommer schön werde. Amüsement ist ja immer eine Geschmacksfrage.

Nun könnte man den diesjährigen Böögg in Bassersdorf ebenso totschweigen wie sein Zürcher Vorbild, wäre das dortige Ereignis nicht übers Geschmackliche hinaus missraten: Fröhlich umringte man eine grossbusige Puppe mit männlichen Geschlechtsteilen, wobei sich Letztere nur zeigten, wenn ein Windstoss neckisch das darübergezogene Röckchen – in Regenbogenfarben! – lüpfte.

Laut dem Lokalmedium «Dorfblitz» erklärte Zeremonienmeister Christian Weiss, dass das «Zentralkomitee der Bassersdorfer Zünfte neu einen Diversitäts-Beauftragten» habe, entsprechend sei der Böögg angepasst, «halb Mann und halb Frau»; den «Diversity-Böögg» verstehe man «als Pamphlet gegen die grassierende narzisstische Hyperempfindlichkeit».

Die Gemeindepräsidentin zeigte sich zwar überzeugt, «dass die Verantwortlichen niemanden verletzen, sondern auf das Thema Diversity aufmerksam machen wollten», doch ein weniger überzeugter Bürger erstattete Anzeige wegen des diskriminierenden «Trans-Zerrbilds». Diese wurde abgewiesen.

Was symbolische Verbrennungen angeht, hatten die Bassersdorfer Zünfte übrigens noch nie Berührungsängste. Neben diversen Diktatoren kam dort schon Altbundesrätin Leuthard auf den Scheiterhaufen und vor einigen Jahren auch eine Attrappe des Mannes, der jetzt Anzeige erstattete. Der hatte damals den Krach der Feuerwerkskörper beanstandet – mit Erfolg.

Ein äusserst heisses Pflaster, dieses Örtchen.