Diesseits von Gut und Böse: Woki-Doki!

Nr. 32 –

Ein Gutes hat das Genöle um die sich ausbreitende Wokeness: Der blöde «Gutmensch» ist endlich tot und zeigt sich nur noch ab und zu als harmloser Zombie in ironischen Selbstbezeichnungen.

Ihm folgt das neudeutsche «woke», das der Duden als «in hohem Mass politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung» definiert, wogegen sicher niemand was haben kann; doch die aufgeführten Beispiele – «ein woker, etwas zu selbstgefälliger Zeitgenosse», «man gab sich demonstrativ woke» – markieren die schiefe Bahn, auf die das englische Lehnwort längst geraten ist.

Was es tatsächlich mit «kultureller Aneignung» auf sich hat, wurde inzwischen vielerorts ausgiebig und fundiert erklärt. Und wie aktuell das Thema ist, zeigte vor zwei Tagen die Sendung «10 vor 10» am Beispiel der kunstvollen Stickereiarbeit indigener Frauen in Mexiko, die von der Modeindustrie ungefragt und ohne Bezahlung kopiert wird. Aber wer sich einmal darauf eingeschossen hat, dass es sich bei Cultural Appropriation um ausseritalienischen Pizzaverzehr oder chinesische Pianist:innen, die Beethoven interpretieren, handelt, liest differenzierte Texte nicht und will es auch gar nicht wissen.

Von der Jungen SVP ist nichts anderes zu erwarten. Die ruft mit «Stop Woke!» zum Boykott der UBS auf, weil diese – mit zugegebenermassen lächerlichen Methoden – mehr Frauen anlocken will, und glaubt sich im Freiheitskampf, wenn sie den misogynen Puffsong «Layla» auf Platz eins der Hitparade pusht.

Andere ahnen schon das dunkle Lodern des Faschismus am Horizont. Im letzten «SonntagsBlick» tat es Frank A. Meyer unter dem Titel «Die Säuberer»: Die Linke ersetze den verlorenen Klassenkampf nun durch den dogmatischen Kulturkampf, die Grünen setzten «klimaschonende Stammeskultur gegen den klimaschädlichen kapitalistischen Kult der Freiheit des Einzelnen», und die «Neo-Apartheid-Aktivisten» zielten auf «die gesamte westliche Wertewelt […] verkörpert im ‹alten weissen Mann›, der Hassfigur der woken Weltveränderer – Rassismus in Reinform, aber erlaubt, weil antikolonialistisch».

Es tut mir leid, aber dieser alte weisse Mann hat den Schuss wirklich nicht gehört.