Diesseits von Gut und Böse: Gar nicht lustig

Nr. 50 –

Der Griff in den Schritt, einst rituell gepflegt von Michael Jackson, wurde anlässlich der Fussball-WM wieder zum Thema – diesmal griff sich der Schweizer Spieler Granit Xhaka dorthin. Hier erregte das kein grosses Aufsehen: Ein bisschen ordinär sei es, halt typisch Granit, der könne einfach nicht anders, wenn ihn Serben provozieren.

Weil Xhakas Griff im Kosovo bejubelt wurde, war er auch Thema in einer dortigen Talkshow. Zana Avdiu, kosovarische Feministin und Menschenrechtsaktivistin, sagte, die Geste sei sexistisch. Granit Xhaka habe sich benommen wie ein «Strassenjunge», und es störe sie, dass ein grosser Teil der kosovarischen Gesellschaft das gutheisse.

Im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» führte sie aus, dass der Griff zum Penis männliche Macht und sexuelle Gewalt symbolisiere; die Geste stehe für den Männlichkeitskult und die Entwertung von Frauen in patriarchalen Systemen, und Gewalt gegen Frauen sei im Kosovo weitverbreitet und akzeptiert.

Mitten in der Sendung wurde Granit Xhakas Vater telefonisch zugeschaltet. Er warf Avdiu vor, die ganze Familie Xhaka beleidigt zu haben und serbische Propaganda zu betreiben. Er drohte ihr, sie solle aufpassen, es werde ihr was passieren – «du kennst die Familie Xhaka nicht!».

Mit seinen Ausfälligkeiten bestätigte Xhakas Vater die Ausführungen von Avdiu. Dass er selbst einst in serbischen Gefängnissen gefoltert wurde, ist entsetzlich, aber keine Entschuldigung für seinen Ausbruch, in dem sich das toxische Gemisch von Männlichkeitskult und Nationalismus zeigt.

Seit der Sendung wurde Zana Avdiu tausendfach mit Vergewaltigung und Tod gedroht, sie braucht Polizeischutz. Granits Bruder, Taulant Xhaka, schrieb auf Instagram, sie sei eine Schande und habe «kein albanisches Blut».

Nach allem, was man inzwischen über Michael Jackson weiss, war der Griff an die Eier schon bei ihm nicht lustig. Aber das leise Amüsement, das Xhakas Griff hierzulande auslöste, ist ebenfalls unangebracht, denn auch in der Schweiz bezahlt alle zwei Wochen eine Frau den Männlichkeitswahn mit ihrem Leben. Und – nein! – die Täter sind nicht «alles Ausländer».