Diesseits von Gut und Böse: Peinliches Schleimen
Natürlich sind auch Mörder Menschen. Folglich haben Mörder Geburtstag – auch Massenmörder –, zu dem man ihnen gratulieren kann. Man kann, aber man muss nicht.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hat zwar nicht Geburtstag, aber zusammen mit seinem mörderischen Regime feiert er den 44. Jahrestag der Islamischen Revolution; jener Revolution, die 1979 das iranische Volk vom Polizeistaat unter dem Schah befreien sollte, sich aber ebenfalls schnell zu einer Diktatur wandelte, gegen die seit Monaten Tausende mutige Menschen auf der Strasse protestieren und dabei ihr Leben riskieren. Viele verlieren es.
Während Präsident Raisi den Festakt dazu nutzte, das Ende der Proteste in seinem Land zu verkünden, liess ihm Bundespräsident Berset zum Jubiläum ein Glückwunschtelegramm zukommen, was aus der Perspektive des Mullahregimes eine Gratulation zur Niederschlagung der Proteste ist.
Weil diese Glückwünsche in der Schweiz Empörung oder zumindest Irritation auslösten, sah sich das Eidgenössische Departement des Innern zu einer «Stellungnahme zum Versand von Glückwunschtelegrammen» veranlasst: Derartige Gratulationen entsprächen «den diplomatischen Gepflogenheiten» und überdauerten «die Regierungen der Empfängerstaaten ebenso wie einzelne Bundespräsidien. Ziel ist es, die diplomatischen Kanäle offen zu halten.» Was in gut schweizerischer Tradition wirtschaftliche Kanäle meint, die keinesfalls verstopft werden dürfen.
Parallel dazu habe man «die iranischen Behörden dringend aufgefordert, Zurückhaltung zu üben, die Exekutionen zu stoppen und die Situation zu deeskalieren». Das nehmen sich diese sicher zu Herzen!
Wenn man schon zu feige ist, Sanktionen und andere Massnahmen wie die Einstufung der Revolutionsgarde als Terrororganisation mitzutragen, könnte man zumindest schweigen, statt zu schleimen.