Diesseits von Gut und Böse: Öl regiert die Welt

Nr. 10 –

Die gute Nachricht zuerst: Die Glasscheiben des Kunstwerks beim Berliner Reichstag sind wieder sauber.

Was die Aktivist:innen der Letzten Generation für ihre Botschaft «Erdöl oder Grundrechte?» über die dort eingravierten Artikel des deutschen Grundgesetzes kippten, war zwar flüssig, schwarz und zäh, aber kein Erdöl, sondern ein Gemisch aus Tapetenleim und Dispersionsfarbe. Wer schon mal ein Zimmer renoviert hat, weiss, dass das wieder abgeht. So weit, aber so überhaupt nicht gut.

Denn eines muss man der Letzten Generation lassen: Sie verfügt über ein geniales Talent, den üblichen Politbetrieb mit Symbolpolitik wutschnaubend auf die Palme zu treiben. Dort tobt es jetzt quer durch alle Parteien bis hin zu Vergleichen mit den Taliban. Da die Aktivist:innen nicht nur in diesem Fall, sondern auch bei Klebeaktionen auf Autobahnen oder Suppenwürfen auf millionenschwere Gemälde hinter Glas bisher nie wirklich etwas kaputtmachten, nehmen sich die wütenden Reaktionen geradezu hysterisch aus.

Dabei beziehen sich auch die Klimaaktivist:innen auf das Grundgesetz. Artikel 20a besagt, dass der Staat «auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmässigen Ordnung» schützen müsse, und der wird angesichts einer inexistenten Klimapolitik ja permanent verletzt. Da wirkt auch die Bemerkung der deutschen Innenministerin, so ein Unsinn schade dem Klimaschutz gewaltig, bizarr.

Demnächst wird übrigens auch mal echtes Öl über eine Person gekippt. Kein stinkendes Erdöl, sondern das aufwendig nach einem Geheimrezept aus Myrrhe, Zimt und Olivenöl hergestellte Salbungsöl, das Charles III. bei der Krönung auf Hände, Brust und Kopf geschmiert wird, damit ihn auch Gott als König akzeptiert. Aber den Hokuspokus finden dann alle wieder gut.  kho