Diesseits von Gut und Böse: «Feminismus ist hip!»

Nr. 22 –

«Junge Frauen werden immer linker» – das war die Schlagzeile auf der letzten «NZZ am Sonntag». Es sah ein bisschen so aus, als laute der Subtext «Wehret den Anfängen!» oder «Da haben wir den Salat». Sehr viel kleiner folgte im Lead darunter: «Bei den jungen Männern geht der Trend in die andere Richtung.»

Wie willkürlich die Hervorhebung des weiblichen Linkstrends war, muss auch bei der Onlinebearbeitung jemandem aufgefallen sein, denn dort lautet der Anriss ausgeglichener: «Junge Frauen werden immer linker, junge Männer rechter. Warum eigentlich?» In der gedruckten Ausgabe lautet der Titel bloss noch deprimiert: «Sie und er verstehen sich nicht mehr». Nach Rösti- und Stadt-Land-Graben leidet das Land jetzt also auch am Geschlechtergraben.

Um das herauszufinden, analysierte das Forschungsinstitut Sotomo die Abstimmungsergebnisse seit 1990, jenem Jahr, in dem – nach knapp zwanzig Jährchen allgemeinem Frauenstimmrecht – zuletzt auch die Männer Appenzell Innerrhodens vom Bundesgericht zu dessen Einführung genötigt wurden. Dass bis 1971 kein Graben existierte, versteht sich von selbst, und die Entwicklung eigener Meinungen braucht anscheinend ein bis zwei Generationen.

Aber warum sie nach links und er nach rechts geht, ist eine berechtigte Frage, und die in der «NZZaS» gegebenen Antworten stimmen nicht zuversichtlich. Da wäre einmal: «Feminismus ist hip», was nach langen Jahren, in denen auch selbstbewusste Frauen errötend betonten: «Aber Feministin bin ich nicht!», eine nette Überraschung ist, aber nur eine Modeerscheinung. Spricht nicht für die Frauen.

Links sein habe früher geheissen: «Klassenkampf und Fabrikarbeit», heute verstünden «viele darunter auch den Kampf gegen Rassismus oder Sexismus». Frauen liege «der Schutz der Umwelt und ein starker Sozialstaat mehr am Herzen». Bei manchen jungen Männern führe das «zu einer Gegenreaktion». Also sind die Frauen wieder selber schuld, wenn die Männer trötzeln.

Was in der Debatte völlig fehlt, ist die Frage, in welcher Gesellschaft wir eigentlich alle leben wollen. Der 14. Juni bietet Gelegenheit für eine klare Antwort.