Diesseits von Gut und Böse: Von Z-Wort zu Z-Wort

Die Sau, die seit letzten Sonntag durchs mediale Feuilleton getrieben wird, ist edlen Geblüts: Es geht um literarisches Schaffen, die Freiheit der Kunst und das Joch der Zensur. Die Hatz eröffnet hat die «NZZ am Sonntag» («NZZaS»), die den Sachverhalt knappst herunterbrach: «Der Basler Fachausschuss Literatur will den neuen Roman von Alain Claude Sulzer vorerst nicht fördern, weil darin das Wort ‹Zigeuner› vorkommt.»
Darum gehts: Auf den ersten Seiten des Manuskripts, das Sulzer mit dem Gesuch um einen Werkbeitrag beim Fachausschuss einreichte, erzählt eine Romanfigur aus ihrer Kindheit im Bochum der 1970er Jahre: «Zwei Stockwerke unter uns hausten die Zigeuner, vor deren Wohnungstüren sich die Schuhe unordentlich neben- und übereinander stapelten.»
Aufgrund dieses Satzes habe er vom Fachausschuss ein Schreiben erhalten mit der Bitte, die Verwendung des heute als diskriminierend eingeschätzten Begriffs zu erklären. Sulzer zog sein Gesuch sofort zurück: «Ich werde mich für meinen Text nicht vor einer Zensurbehörde rechtfertigen. Denn so etwas ist nichts anderes als das: Zensur.»
In begeisterter Empörung schlossen sich fast alle Medien seiner Lesart an. Die FAZ titelte: «Vor dem Ausschuss für ‹unwoke Zustände›». Auch im Fachausschuss Literatur knallte es: Zwei Mitglieder, die den Brief an Sulzer nicht mitverfasst hatten, verliessen den Ausschuss unter Protest.
Aber wieso ist es eigentlich so ein Affront, einen Autor vor der Vergabe von Geldern um inhaltliche Erklärungen zum fraglichen Werk zu bitten? Weil es noch nie so war? In der «NZZaS» hiess es nämlich auch: «Das hat Sulzer immer so gemacht, immer problemlos.» Was sicher nicht alle Künstler:innen bei ihren Eingaben erleben.
Jetzt kreischt aus allen Ecken das andere Z-Wort: Zensur! Und die «NZZaS» schreibt kassandrisch: «Der Basler Vorgang ist Teil einer grösseren Entwicklung.» Ich möchte auch keinen Roman lesen, in dem von «Z-Wort-Menschen» die Rede ist. Aber warum liess sich Sulzer nicht auf ein Gespräch mit dem Fachausschuss ein? Hätte man sich nicht in seinem Sinne einigen können, wäre es immer noch früh genug für den kollektiven Aufschrei.