Diesseits von Gut und Böse: Wüthrich wird wütend

Nr. 28 –

Eigentlich würde das Szenario wunderbar nach Hollywood passen: Vier alte, weisse Herren, alles echte Nobelpreisträger, diskutieren – moderiert von einem Artgenossen – vor einem ebenso gebildeten Auditorium hochstehende Fragen der Strukturbiologie. Im Lauf der Veranstaltung äussert einer der Herren auf dem Podium, die Wissenschaft spiele an diesem Meeting, leider, nicht die Hauptrolle: «Als männlicher Wissenschafter habe ich ein Gefühl der Diskriminierung im Klima, in dem diese Tagung stattfindet.»

Wenig später erhebt sich eine – sichtlich und hörbar unter grosser Anspannung stehende – junge Frau und will diese Aussage kommentieren. Als der Moderator sie unterbricht, lässt sie ein entschlossenes «Let me continue, please!» hören und fährt fort: «Es mag eine individuelle Diskriminierung von Männern geben, aber das ist nichts im Vergleich zu der systematischen und strukturellen Diskriminierung, der Frauen ausgesetzt sind, insbesondere in den Mint-Fächern!» Spontaner Beifall.

Den Nobelpreis haben in seiner Geschichte 892 Männer und 60 Frauen gewonnen, das sind 93,7 versus 6,3 Prozent. Die Veranstalter:innen der Tagung in Lindau sollten dem Schweizer Kurt Wüthrich (84, Nobelpreis für Chemie 2002) dankbar sein, wäre dieses Meeting doch nie so breit in die Medien gelangt, hätte er sich nicht beklagt, «dass an dieser Konferenz der Fokus dermassen auf Diversität und Inklusion gelegt wurde», wie er später im «Tages-Anzeiger» erklärte.

Die junge Frau, die ihre Identität nicht preisgab, weil ihre Karriere sonst wohl ein zackiges Ende nähme, würde ich in einem Film mit Emma Stone oder Emma Watson besetzen, je nachdem, welche gerade Zeit hat. Mein Castingtipp für Kurt Wüthrich ist Harrison Ford – aber ohne digitale Bearbeitung. Wird hundertpro ein Knüller!