Diesseits von Gut und Böse: Fly, baby, fly!

Am letzten Sonntag gegen halb drei dachte ich kurz, jetzt sei der dritte Weltkrieg tatsächlich ausgebrochen und genau über unserem Häuschen tobe die ultimative Luftschlacht. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erfüllte die Lüfte, das Geschirr im Schrank schepperte, während fünf Düsenjäger kreuz und quer über unsere Köpfe rasten.
Statt den nächsten Bunker aufzusuchen, googelte ich und wurde flugs belehrt, dass es sich bei dem heillosen Getöse um Festgeräusche handelte. Der Flughafen Zürich feierte seinen 75. Geburtstag, und zu seinen Ehren liess man den Stolz der Schweiz am Himmel herumdüsen: die Patrouille Suisse!
Nein, ich bin keine Spassverderberin. Beim furchtsamen Blick nach oben empfand ich sogar Bewunderung für die Präzision, mit der es den rasenden Maschinen gelang, sich selbst in engen Kurven nicht gegenseitig über den Haufen zu fliegen. Aber das Spektakel ist so himmeltraurig gestrig, dass einem glatt die Tränen kommen könnten.
Schon 2013 wollte der damalige Verteidigungsminister Maurer die Patrouille Suisse, deren Unterhalt jährlich 44 Millionen Franken verschlingt, abschaffen, weil es keine Flugzeuge brauche, «um Folklore zu machen» – da wäre ich ganz unerwartet mit Bundesrat «Kä Luscht» mal einer Meinung gewesen –, worauf ihm eine Welle der Empörung entgegenschwappte. Weit vorsichtiger kündigte Frau Amherd letztes Jahr an, man prüfe, ob die Kunstflugstaffel aufgelöst oder in anderer Form weitergeführt werde.
Dass manche Schweizer:innen glauben, es fördere das Landesimage, wenn man mehrmals im Jahr mittels eines tonnenschweren militärischen Geräts in der Luft einen Haufen Kerosin und Geld vernichtet, ist das eine. Ebenso wenig passt zu den drängenden Fragen der Zeit, dass 140 000 Menschen einen Flughafen feiern, dort demnächst die Pisten verlängert werden sollen und sich alle drauf freuen, wenn die Anzahl der Passagierflüge das Vor-Corona-Niveau endlich übertreffen wird.
Weil die Mehrzahl der Festgäste mit ihrem anderen Lieblingsverkehrsmittel, dem Automobil, anreisten, kam es nach der Show zu Staus und zu stundenlangen Wartezeiten im Parkhaus.
Ich bin übrigens auch immer gern geflogen. Aber jetzt muss ich dauernd an Lemminge denken.