Diesseits von Gut und Böse: Los – an die Säcke!

Nr. 49 –

Es kommt nicht oft vor, dass ich einem Satz, der in der NZZ stand, aus vollem Herzen zustimme, aber dieser ist so einer: «Es ist nicht an der Politik, den Menschen ihr Lebensmodell und das richtige Arbeitspensum vorzuschreiben.»

Erst erhoben sich im März zahlreiche Stimmen zu missklingenden Chören, die nur einen Refrain kannten: Akademisch ausgebildete Teilzeitarbeitende gönnten sich auf Kosten der viel zitierten Supermarktkassiererin ein Leben auf der faulen Haut. Die «Analyse» basierte auf Rechnungen, die – ausgehend von einem überholten Familienmodell – vor allem die Anzahl vollzeitbeschäftigter Familienväter addierten, jedoch ignorierten, dass sich die Gesamtheit der Erwerbsarbeit dank berufstätiger Frauen heutzutage auf mehr Personen verteilt.

Inzwischen leiern diese Chöre: «Ach herrje – der Fachkräftemangel tut weh!» Weshalb dem Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller eine Idee kam, die gleich alle Probleme zusammen lösen soll: Inländer:innen mit einem vollen Arbeitspensum sollen weniger Steuern zahlen. So schmölzen Fachkräftemangel und Teilzeitarbeit – und die Zuwanderung grad noch mit.

Nun ist es aber so, dass in Bereichen wie Pflege und Schule kein Fachkräftemangel herrscht, weil die Beschäftigten – mehrheitlich Frauen – genug Geld hätten, um ständig Ferien zu machen, sondern weil die Arbeitsbedingungen bei vollen Pensen schwer erträglich sind. Zudem teilt man sich heute die Familienarbeit, und Menschen in Niedriglohnsektoren arbeiten schon hundert Prozent, um über die Runden zu kommen.

Herr Müller arbeitet neben seinen zahlreichen Engagements übrigens Teilzeit in einer Versicherung, ist ledig und – soweit bekannt – kinderlos.