Diesseits von Gut und Böse: Unten und oben

Nr. 51 –

Na, wie feiern Sie Weihnachten? In der warmen Stube? Mit Kerzenschein, Geglitzer und Geklingel? Und leuchtenden Kinderaugen? Oder wie ich? Gar nicht – und trotzdem schön gemütlich?

Wie dunkel es derzeit am frühen Abend draussen auch sein mag: Tagsüber ist es in Ihrer Stube sicher trotz Hochnebel hell, vielleicht scheint sogar die Sonne herein. Jetzt denken Sie womöglich: Worum gehts hier eigentlich? Ich wohne doch nicht in einem Luftschutzbunker. Schliesslich ist wenigstens in der Schweiz kein Krieg!

Aber Familien mit Kindern, die in Luftschutzbunkern leben, gibt es in der Schweiz trotzdem. Zwar heissen die Bunker hier weniger martialisch Zivilschutzanlage, und die Familien können rausgehen, ohne gleich bombardiert zu werden, aber unterirdisch bleibt unterirdisch – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Gerade vor zwei Wochen wurde nämlich eine Zivilschutzanlage in einem Zürcher Wohnquartier zum temporären Bundesasylzentrum erklärt, in dem neunzig geflüchtete Mütter und ihre Kinder untergebracht werden sollen.

Zwei Nachbarinnen der Anlage starteten daraufhin eine Petition an die jetzt noch zuständige Justizministerin, die andere Lösungen fordert, da es nicht «kind- und familiengerecht» sei, Familien in unterirdischen Bunkern unterzubringen (act.campax.org). Inzwischen haben über 7000 Personen unterschrieben.

Nun muss man natürlich festhalten, dass es in der Schweiz überall sicherer ist als in einem Kriegsgebiet – ganz egal, wo man schlafen muss. Und zahllose Männer dürften erzählen, dass sie es während ihrer maximal 245 Diensttage in der Zivilschutzanlage noch ziemlich lustig hatten. Ein bisschen langweilig vielleicht – aber ein Trauma? Nö, sicher nicht!

Dabei braucht es doch nur Spuren von Empathie, um sich vorstellen zu können, wie stickig sich unterirdische Räume anfühlen, wenn man gerade in realen Bunkern realen Bombardierungen entkommen ist. Und dieses bisschen Empathie wünsche ich uns allen! Nicht nur zu Weihnachten.