Diesseits von Gut und Böse: Feinste Ingenieurskunst

Nr. 5 –

In einem erfindungsreichen Land, das seinen Mangel an Bodenschätzen schon immer durch Trickreichtum ausgleichen musste, weiss man natürlich, wie man einen hundsgemeinen Wasserspiegel absenkt – zum Beispiel den des Thunersees.

Warum man das können sollte? Zum einen natürlich, weil ab und zu Hochwasser droht. Aber auch wenn am Ufer etwas gebaut oder umgebaut werden soll, macht es mehr Spass mit trockenen Füssen. Betreffende stellen beim Berner Amt für Wasser und Abfall einen Antrag auf eine «ausserordentliche Seeabsenkung», und schwups – oder besser gesagt: gurgel – wird der Pegel im darauf folgenden Januar gesenkt. Das können bis zu achtzig Zentimeter sein, was die Fische nicht freut, und geschieht alle paar Jahre. Auch in diesem Januar ist dem Schweizer Ingenieur wieder nichts zu schwör.

Mir ist diese mechanistische Naturbeherrschung unheimlich. Ich muss an eine Geschichte denken, in der ganz anders geartete Bauarbeiten den Thunersee ebenfalls absinken lassen. Nachdem in einer Höhle des Beatenbergs die Seltene Erde Rapacitanium gefunden wurde, beginnt eine Rohstofffirma entgegen warnenden Stimmen sofort mit deren Abbau. Im Gestein am Seegrund entstehen Risse, was eine dramatische Entwicklung in Gang setzt. Wie es weitergeht, lesen Sie im fantastischen Roman «Gschwind oder Das mutmasslich zweckfreie Zirpen der Grillen» von Urs Mannhart am besten selbst.

So etwas, wie es Mannhart um den idyllischen Thunersee erfunden hat, geschieht in Ländern, wo tatsächlich Rohstoffe für unsere Gadgets abgebaut werden, übrigens hin und wieder ganz real. Und aus dem Thunersee sollten die cleveren Ingenieure nur so viel Wasser abführen, dass die Ausflugsdampfer nicht plötzlich über die 4600 Tonnen Munition kratzen, die die Schweizer Armee einst dort versenkte.