Diesseits von Gut und Böse: Perfide Post

Nr. 7 –

Es seien wieder Enkeltrickbetrüger aktiv, warnte ein pfiffiger Kopf auf X. Unter den Decknamen Pascal, Doris, Johann und Adolf wollten sie den Bürger:innen im Auftrag einer dubiosen Organisation namens Economiesuisse ausgefüllte Stimmzettel andrehen. Den Joseph vergass er, aber der war schon zu Dienstzeiten unauffällig bis zur Selbstauflösung.

Dieser Tweet war nicht die einzige Reaktion auf den Brief, den fünf Altbundesrät:innen letzte Woche an Schweizer Haushalte verschickten, aber einer der witzigsten. Denn dass Doris Leuthard, Johann Schneider-Ammann und Adolf Ogi in der Deutschschweiz sowie Joseph Deiss und Pascal Couchepin für die Romandie sich nicht entblödeten, für sehr viel Geld Hunderttausenden Stimmbürger:innen einen langen Sermon ins Haus zu schicken, droht sich gerade zu einem wunderschönen Rohrkrepierer zu entwickeln.

«Mit ernster Besorgnis» warnen die fünf Exmagistrat:innen die Bevölkerung vor der Einführung einer 13. AHV-Rente: «Was verlockend klingt, ist brandgefährlich.» Pascal Couchepin gerierte sich im «Tages-Anzeiger» zudem als Analytiker volksseelischer Abgründe und mahnte: «Das Eigeninteresse darf nicht zum einzigen Kriterium werden.»

Besonders originell mutet dabei an, dass Doris Leuthard noch zwei Tage, bevor der Brief bei den Leuten ankam, in der Sendung «Eco Talk» auf SRF mit dem ihr eigenen aufrichtigen Augenaufschlag beteuerte: «Es ist auch richtig, wenn Bundesräte nach der Amtszeit schweigen, sich nicht einmischen und die Geschäfte den amtierenden Bundesräten überlassen.» Entweder weiss Leuthard nicht immer, was sie sagt, oder – hoppla! – der Brief wurde ohne ihr Wissen von der gegnerischen Werbeagentur formuliert.

Mit ihrem Schreiben brachten die Absender:innen besagte Volksseele zum Köcheln, was erfreulich ist, denn diese verschafft sich jetzt in Kommentarspalten und Leser:innenbriefen Luft. Dass Leute mit einem lebenslänglichen Ruhegehalt von knapp 20 000 Franken im Monat (plus Teuerungsausgleich) der Bevölkerung empfehlen, im Interesse des – reichsten – Landes Bescheidenheit zu üben, findet kaum jemand lustig.

Wenn alle, die jetzt betonen, sie bräuchten die 13. Rente gar nicht, diese spenden würden, liessen sich übrigens schon ein paar Probleme lösen.