Diesseits von Gut und Böse: Verrauchte Räume
«Was ist eine Tabak-Hostess anderes als eine Werbung auf zwei Beinen?», fragte die Journalistin Nathalie Christen den Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz letzten Donnerstag in der Sendung «10 vor 10». Dieser – im Hauptamt Tabaklobbyist und als «Kettensägengregor» bekannt gewordener Ständeratskandidat – antwortete bestens gelaunt: Das «mobile Verkaufspersonal», das an Festivals unter den Besucher:innen gratis Zigaretten verteile, mache keine Tabakwerbung, da gehe es «um ein persönliches Gespräch, wo man über ein Produkt reden will». Unter Werbung verstehe man Inserate, Plakate und Werbespots, die Verteilaktionen fielen nicht darunter.
Rutz’ gute Laune verdankte sich der Tatsache, dass der Nationalrat gerade die Gesetzesvorlage abgelehnt hatte, mit der die Initiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» endlich hätte umgesetzt werden sollen. Vor zwei Jahren sagten dazu knapp 57 Prozent der Schweizer:innen Ja.
Das heisst natürlich nicht, dass Lobbyist Rutz dieses Ergebnis allein vollbracht hätte. In den Schweizer Räten sitzt genug sogenannt liberales Personal, das jedwede Einschränkung wirtschaftlicher Freiheit scheut wie der Teufel das Weihwasser, und wenns um Raucherwaren geht, ist es besonders scheu.
Das geschieht nicht von ungefähr, liegen doch wichtige Sitze der Grosskonzerne Philip Morris International, Japan Tobacco International und British American Tobacco mit Tausenden Arbeitsplätzen in der Schweiz. Auch dass Philip Morris den Parteien FDP und SVP im vergangenen Wahlkampf je 35 000 Franken spendete, dürfte nicht ohne Wirkung geblieben sein. Beim weltweiten Ranking, wie stark Regierungen ihre Gesundheitspolitik vor den Interessen der Tabakindustrie schützen, belegt die Schweiz denn auch den vorletzten Platz vor der Dominikanischen Republik.
Tags zuvor hatte derselbe Nationalrat übrigens beschlossen, dass das Stimmrechtsalter 16 kein Thema sei und dass jugendliche Schwersttäter verwahrt werden sollen. Aber wenigstens dürfen sie rauchen.