Diesseits von Gut und Böse: Geld und Geist

Alles ist relativ. Zum Beispiel die Einschätzung, ob 24 000 Franken viel oder wenig Geld sind. Zum einen ist es fast so viel wie die 25 000 Franken, die das Parlament vor ein paar Jahren als Wiedergutmachung Menschen zusprach, die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen geworden waren. Damals war man offenbar der Meinung, dass so viel als Ausgleich für eine verlorene Jugend reichen sollte, und kam in manchen Fällen gar auf die Idee, den Betreffenden dafür gleich wieder ihre schmalen Renten zu kürzen, was aber inzwischen rückgängig gemacht wurde.
Wenn jedoch jemand 24 000 Franken mit einer Drohne über einer Menschenmenge ausschüttet, denkt man – neben dem Verdacht, da fehlten einem ein paar Latten im Zaun –, dass der so viel hat, dass es für ihn wenig ist. Jedenfalls waren die 2400 Zehnfrankenscheine, die letzten Samstag auf eine Wiese am Zürichsee flatterten, vermutlich der Werbegag einer Start-up-Firma für Vitamingetränke. Die Aktion war auf Tiktok angekündigt worden, dort kann man jetzt sehen, wie rennende und kreischende Menschen versuchen, sich Geldscheine zu schnappen; laut Medienberichten wurde ein zwölfjähriger Junge dabei schwer verletzt.
Nun könnte man sagen, 24 000 Franken sind auch für ein Start-up viel Geld, aber in Werbung wird ja meist noch viel mehr reingebuttert, und die Vitamine, die die Firma ihren Wasserfläschchen beimixt, dürften kostengünstig sein. Dass sich zudem bei diesen Bildern unweigerlich jene Szenen aufdrängen, die sich derzeit in Gaza abspielen, wenn aus Flugzeugen Hilfsgüter an Fallschirmen abgeworfen werden, macht die ganze Aktion schwer erträglich.
Als sich kürzlich in der NZZ ein Vermögenspsychologe zu «den Kindern der Superreichen» äusserte, glaubte ich erst, diese Fachrichtung beschäftige sich mit den Auswirkungen grosser Vermögen auf die Persönlichkeit. Aber es geht um Vermögen in der Bedeutung von Leistungsfähigkeit und Motivation.
Aber meine Fehldeutung gefällt mir eigentlich ganz gut. Damit erkläre ich mir nämlich, warum sich die vermögenden Teile unserer Gesellschaft seit der Abstimmung zur 13. AHV-Rente einreden, das gemeine Volk sei jetzt einfach gierig geworden, weil es genauso viel will wie sie.