Diesseits von Gut und Böse: Dumm gelaufen

Zwanzig Prozent der Deutschen fänden es gut, «wenn wieder mehr weisse Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen»; und dass der derzeitige Captain türkische Vorfahren hat, finden siebzehn Prozent «schade». Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag der ARD.
Doch nicht das Ergebnis sorgt jetzt für Empörung, sondern die Tatsache, dass man überhaupt gefragt hat. Trainer Julian Nagelsmann fand dafür folgende Worte: «Ich hoffe, nie wieder so was von so einer Scheissumfrage lesen zu müssen.» Dass kurz vor Beginn der Männerfussball-EM der im Gastgeberland verbreitete Rassismus öffentlich wird, ist ja auch doof.
Dabei hatte man nur nachgefragt, weil dem Filmemacher Philipp Awounou bei Dreharbeiten zu einem Dokfilm über die Nationalmannschaft derartige Äusserungen begegnet waren, weshalb er objektiv gesichert wissen wollte, wie verbreitet dieses Denken tatsächlich ist.
Wer sich damit beschäftigt, was diesbezüglich in Deutschland und der Welt läuft, wird sich nicht gewundert haben. Und dass auch in der Schweiz immer wieder die Frage aufgeworfen wird, wer ein «echter» Schweizer sei, zeigen die hanebüchenen Auseinandersetzungen über die Doppelbürger in der «Nati».
Die Grenzen zwischen Rassismus und Nationalstolz verschwimmen, zumal Letzterer überhaupt ein irrationales Gefühl ist. Worauf soll ich stolz sein, wenn Marco Odermatt schneller als andere Ski fährt? Ich kann ihn höchstens bewundern. Mit meinem bloss angeheirateten Doppelbürgerinnenstatus kann das nichts zu tun haben, denn auch auf erfolgreiche deutsche Sportler:innen bin ich nicht stolz.
Zum Schluss nur mal so als Frage: Was wäre, wenn Marco Odermatt eine dunkle Hautfarbe hätte?