Literatur: Zwischen Party und Polizeigewalt

Nr. 26 –

Buchcover von «Zwei Sekunden brennende Luft»
Diaty Diallo: «Zwei Sekunden brennende Luft». Roman. Aus dem Französischen von Nouria Behloul und Lena Müller. Assoziation A. Berlin 2023. 192 Seiten. 30 Franken.

Ein Quartier irgendwo bei Paris, mit Hochhäusern, Brachen, ein paar Bänken, wenig Grün – und wenig zu tun für Heranwachsende: Hier verbringen Astor und Chérif den Sommer. Die Luft flimmert, die Nächte sind lang. Und bisweilen gefährlich. Zum Beispiel an einer rauschenden Party auf einem Parkdeck, über das plötzlich Tränengas wabert, als Astor gerade ein Mädchen kennenlernt. Er wird hustend, kotzend, nach Luft schnappend zum Ausgang getrieben, hält aber inne, sobald genügend Sauerstoff vorhanden ist, um den Flics nicht in die Arme zu laufen.

Fette Bässe und fettige Merguez, dröhnende Motorräder, Abhängen mit der Clique – dies sind die schönen Momente für die Jugendlichen in «Zwei Sekunden brennende Luft», dem Debütroman von Diaty Diallo. Selbst in einer Pariser Vorstadt aufgewachsen, schildert sie die dortigen Zustände in einer Sprache voller Rhythmus und Klarheit. Die Stimmung zwischen den grauen Wohnblöcken wird greifbar. Die ständigen Konfrontationen mit der Polizei, die für die Bewohner:innen der Banlieues nur Repression übrig hat, sind zentraler und erschütternder Inhalt des Buches. «Sie wissen sehr gut, wer ich bin, Messieurs», sagt Chérif zu den Beamten, als diese seine Identität überprüfen wollen. «Wir haben uns gestern unterhalten und drei Mal letzte Woche.»

Die nächsten Ereignisse scheinen einem eingeübten Skript zu folgen: Provokationen, Erniedrigungen, Ausraster, Polizeigewalt. Menschen aus der Nachbarschaft setzen sich für die Gruppe Jugendlicher um Chérif ein, Jüngere lassen auf Distanz Feuerwerk krachen, als Antwort kommt Tränengas. Und Chérif: «Er spürt, wie sich behandschuhte Finger in seinen Nacken graben, als wollten sie ihm die Knochen herausreissen», bevor er Handschellen verpasst kriegt. Doch das Schlimmste an diesem Abend ist da noch gar nicht passiert. Diallo schafft Nähe zu den Protagonist:innen, indem sie Astor in Jugendsprache, Ich-Form und im Präsens erzählen lässt. Ihr Buch ist eine fesselnde Streitschrift gegen rassistische Polizeikontrollen.