Diesseits von Gut und Böse: Profis am Werk
Die Literaturkritik sei nicht mehr das, was sie einmal gewesen sei, beklagte Sigrid Löffler, selbst Literaturkritikerin, auf deutschlandfunkkultur.de: Im Internet tummelten sich «selbstermächtigte Hobbykritiker», während die professionelle Literaturkritik ihre Zielgruppe kaum noch erreichen könne, «den anspruchsvollen, wählerischen Konsumenten, der im unübersichtlichen Buchmarktgeschehen nach Orientierung verlangt und Qualitätsargumenten zugänglich ist».
Nun widmeten zwei Kritikerprofis ihre Qualitätsargumente demselben Roman: «Die vorletzte Frau» von Katja Oskamp. Für die «Zeit» verwandelt Oskamp «die wilde Liebe ihres Lebens in einen schonungslosen Roman. […] Es ist eine Enthüllung. Eine Offenbarung», die sie «zu einer starken Frau und zu einer Autorin mit einem glasklaren, unverdrucksten Stil» mache. Doch laut NZZ hat sie «eine ebenso kleinkrämerische wie wichtigtuerische Abrechnung» verfasst, ein dürftiges «biografisches Süppchen», einen «Softporno», der «mit der Selbstentblössung vor allem eine Demütigung des langjährigen Freundes» beabsichtigt.
Den diskrepant lodernden Emotionen dürfte zugrundeliegen, dass es sich beim langjährigen Freund und einstigen Liebhaber um die Schweizer Literaturikone Thomas Hürlimann handelt. Doch aus dem Widerspruch erwächst mir Orientierung: Wenn mich schon Hürlimanns Bücher nie lockten, tut es sein Sexualleben schon gar nicht.