Politour

Nr. 40 –

Zug und die Steuern

Wie wurde Zug eigentlich zum Steuerparadies? Vor hundert Jahren beschloss der Kanton die ersten Steuerprivilegien, doch während der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkriegs liefen diese zunächst ins Leere. Seinen Aufstieg zum Steuerparadies Ende der fünfziger Jahre verdankt Zug der Nähe zum Finanzzentrum Zürich und der Anbindung ans internationale Bahnnetz. Mit dem Domizilprivileg wurde es erst zu einem Eldorado der Briefkastenfirmen, später zu einem globalen Zentrum des Rohstoffhandels. Der Zuger Konzern von Marc Rich, aus dem 1994 Glencore werden sollte, erwirtschaftete allein mit dem südafrikanischen Apartheidregime zwei Milliarden Franken Gewinn. Im Kanton selber führten die Entwicklungen zu sozialer Verdrängung, gleichzeitig machten die Herausforderungen die Alternativ-Grünen zu den stärksten Grünen der Schweiz.

Der Vortrag von Altnationalrat Jo Lang (Grüne) zeigt die Geschichte der Zuger Steuerpolitik und deren lokale und globale Folgen auf und thematisiert die Antworten der neuen Linken in den letzten fünfzig Jahren.

Zug Siehbachsaal, Chamerstrasse 33, Mi, 9. Oktober 2024, 19.30 Uhr (ab 18.30 Uhr Abendessen).

Die Hürden der Sozialhilfe

Aus Studien ist bekannt, dass rund 25 Prozent der Personen, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diesen Anspruch nicht geltend machen. Der Vortrag von Melanie Studer (Hochschule Luzern) und Alissa Hänggeli (Berner Fachhochschule) gibt Einblick in die ersten Resultate eines seit 2022 laufenden Forschungsprojekts. Liegt es an den kantonalen Sozialhilfegesetzen? Sind sie mit ein Grund, wieso die Sozialhilfe nicht in Anspruch genommen wird? Die beiden Forscherinnen haben die kantonalen Gesetze daraufhin untersucht.

Anschliessend an die Präsentation möchten die Vortragenden mit dem Publikum diskutieren: Was sind die Gründe dafür, dass Menschen, die in Armut leben, keine Sozialhilfe beziehen? Verzichten Menschen wegen der Gesetze, die mitunter (strenge) Rückerstattungspflichten vorsehen oder hohe Sanktionen androhen, auf Sozialhilfe? Werden sie davon abgeschreckt, dass sie in der eigenen (kleinen) Gemeinde den Antrag stellen müssen? Und ist der Nichtbezug überhaupt ein Problem?

Basel Planet 13, Klybeckstrasse 60, Mo, 7. Oktober 2024, 19 Uhr.

Zwangsarbeiter:innen

Bis Mitte der siebziger Jahre mussten junge Frauen ohne Gerichtsurteil in Schweizer Fabriken arbeiten – ohne je einen Lohn zu erhalten. Eine davon war Irma Frei, die von der Amtsvormundschaft von 1958 bis 1961 im Bührle-Fabrikheim in Dietfurt SG im Toggenburg «versorgt» wurde. Nach der Eröffnungsrede von SP-Altständerat Paul Rechsteiner wird diskutiert, wie industrielle Profitinteressen und fürsorgerische Zwangsmassnahmen zusammenwirkten und warum bis heute kaum über Entschädigungen gesprochen wird – auch im Kanton St. Gallen nicht.

Der Historiker Matthias Ruoss moderiert eine Podiumsdiskussion mit Irma Frei, ehemalige Zwangsarbeiterin, Yves Demuth, Autor des Buchs «Schweizer Zwangsarbeiterinnen», und Sonja Matter, Direktorin des «Historischen Lexikons der Schweiz».

St. Gallen Palace, Blumenbergplatz, Di, 8. Oktober 2024, 20.15 Uhr.

Traumatisierte Menschen

Seit dreissig Jahren unterstützt «medica mondiale» gemeinsam mit Partnerorganisationen weltweit Frauen, die sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten erlebt haben. Diese Erfahrungen im Umgang mit traumatisierten Menschen und die psychologische Expertise in Traumasensibilität wird in Weiterbildungen weitergegeben. Nach dem Film «Die Anhörung» von Lisa Gerig diskutieren Monika Hauser (Gründerin von «medica mondiale») und Julie Frei (Legal Advisor AsyLex) über Stress- und Traumasensibilität in der Arbeit mit gewaltbetroffenen Menschen im Kontext der aktuellen Schweizer Asylpraxis.

Zürich Paulus Akademie, Pfingstweidstrasse 28, Fr, 4. Oktober 2024, 18 Uhr. Anmeldung erwünscht unter info@medicamondiale.ch.

Nächster Halt Paradeplatz

Wie kam Alfred Escher, dessen Statue direkt beim Hauptbahnhof steht, eigentlich zu seinem Vermögen? Mit dieser Frage beginnt der anderthalbstündige Finanzplatzrundgang «Nächster Halt Paradeplatz» der Zürcher Regionalgruppe von Public Eye. Der Rundgang informiert aber nicht nur über den mächtigen Zürcher Politiker und Wirtschaftsmann im 19. Jahrhundert, sondern ebenso über die Entwicklung des Bankgeheimnisses, illegale Investitionen und die zweifelhaften, wenn auch legalen Investitionen der Nationalbank. Im Zentrum stehen zudem die von Escher gegründete Kreditanstalt, die diversen Bankskandale und grundlegende Fragen einer nachhaltigen Finanzpolitik. Denn: Die Entscheidungen der Banken haben einen grossen Einfluss – nicht nur auf unser Leben, sondern vor allem auch auf das Leben vieler Menschen im Globalen Süden.

Zürich Pestalozzi-Denkmal im Park vor Globus (Treffpunkt), Schweizergasse 11, Mi, 9. Oktober 2024, 18.30 Uhr. Weitere Daten für den Rundgang: www.publiceye.ch.

150 Jahre Clara Ragaz

Wie lassen sich Hoffnung und Widerstand kultivieren, wenn Rechtspopulismus, Klimakatastrophe und Kriege so viel Anlass zu Resignation und Trauer geben? Schon Clara Ragaz beobachtete das Zeitgeschehen scharfsinnig und entwickelte mit ihren Weggefährt:innen Strategien des Widerstands. Welche Zeitdiagnosen stehen heute an?

Am Festival der Zeitschrift «Neue Wege», «hope.fight.love – 150 Jahre Clara Ragaz», machen unter anderem Şeyda Kurt, Franziska Schutzbach, Yves Bossart, Big Zis, Corine Mauch, Lisa Mazzone, Anna Rosenwasser, Nicola Siegrist, Mandy Abou Shoak, Ina Praetorius, Annemarie Sancar, Hannes Lindenmeyer und Köbi Gantenbein mit. Das Festival bietet ein vielfältiges Programm mit Workshops, Podium, Konzert und Gottesdienst.

Zürich diverse Orte, Fr–So, 4.–6. Oktober 2024. Detailliertes Programm: www.hopefightlove.ch.

Schweizer Asylbewegung

Jonathan Pärlis Buch schreibt erstmals die Geschichte der Schweizer Asylbewegung im späten 20. Jahrhundert. Angesichts der «neuen Flüchtlinge» aus dem Globalen Süden setzte in den westlichen Ländern seit den siebziger Jahren eine restriktive Wende in der Asylpolitik ein. Als Reaktion darauf entstand eine international vernetzte Solidaritäts- und Protestbewegung, die sich auch in der Schweiz entfaltete. Hierzulande waren es insbesondere die Geflüchteten aus Zaire, Chile, der Türkei oder Sri Lanka, die Impulse für den neuen asylpolitischen Aktivismus gaben – mit kollektiven Protesten, Reden und zivilem Ungehorsam.

So analysiert der Historiker in seinem Buch «Die andere Schweiz. Asyl und Aktivismus 1973–2000» die Bewegung für eine emanzipatorische Asylpolitik in ihrer demokratiepolitischen Bedeutung und rekonstruiert eine facettenreiche und vielstimmige Geschichte zwischen Politik, Humanitarismus und enttäuschten Hoffnungen.

Buchvernissage mit dem Autor sowie Damir Skenderovic (Universität Fribourg) und Sophie Guignard (Solidarité sans frontières). Moderation: Derya Bozat (Universität Bern).

Zürich Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum, Stadelhoferstrasse 12, Mi, 9. Oktober 2024, 19.30 Uhr.