Diesseits von Gut und Böse: Unbezahlt aufs Klo

Nr. 41 –

Schon die Formulierung «die Notdurft verrichten» bezeugt die Dringlichkeit, der sich weder Mensch noch Tier dauerhaft widersetzen kann. Entsprechend abwechslungsreich sind die Synonyme, die allein im Deutschen für den intimen Vorgang existieren: urinieren, koten, pinkeln, ein Geschäft verrichten, defäkieren, gross oder klein machen sowie die Vulgärvarianten kacken, scheissen und pissen. Diskrete gehen aufs «Hüsli» oder dorthin, wo auch der Kaiser zu Fuss hingeht. Doch wie auch immer: Müssen tun alle.

Bei einigen Uhrenfirmen in der Westschweiz dürfen die Mitarbeitenden aber nicht einfach aufs WC, sondern müssen bei jeder Pinkelpause ausstempeln – die Dauer der Notdurft zählt nicht zur Arbeitszeit. Wie eine Gewerkschafterin auf SRF berichtete, wurden schon Arztzeugnisse verlangt, wenn man meinte, jemand sei zu oft auf der Toilette.

Im Kanton Neuenburg fand man diese Praxis illegal, zog gegen die Firma Singer & Cie in Boudry NE vor Gericht – und verlor. Das Kantonsgericht gab der Uhrenfirma recht: Weil «der Begriff der Pause im Gesetz nicht klar definiert» sei, dürfe ein Betrieb den WC-Gang der Pausenzeit anrechnen. Wie «10 vor 10» berichtete, ist man beim Kanton über das Urteil empört, ein Historiker fühlt sich ins 19. Jahrhundert zurückversetzt, und selbst die Vertreterin des Arbeitgeberverbands meint: «Es ist nicht die Richtung, in die es gehen sollte.»

Das Gericht befand aber auch, die Stempelpflicht diskriminiere Frauen, weil diese während der Periode öfter zur Toilette müssten; es brauche Massnahmen, um diese «Ungleichheit zu verringern». Welche Massnahmen dem Gericht da vorschwebten, lässt es offen: Bei Betreten der Firma ein Kontrollblick in den Schlüpfer? Eine schriftliche Bestätigung, dass frau ihre Tage habe, wie einst für die Turnstunde?

Wer im Übrigen noch nie am Arbeitsplatz fünf Minuten Auszeit auf dem WC nahm, werfe die erste Klopapierrolle.