Diesseits von Gut und Böse: Darm- oder Seelenkunde?

Nr. 50 –

«Für die Jungen seien die tiefen Löhne ein wichtiges Thema, sagt Bigna Keller, Kopräsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Es brauche in der Gesellschaft mehr Wertschätzung für den Beruf.» Das las ich kürzlich im «Tages-Anzeiger».

Falls Sie den Artikel nicht gelesen haben, können Sie ja mal ein bisschen werweissen, welcher Beruf aufgrund mangelnder Wertschätzung zu wenig Zaster generiert: Bäcker? Schreinerin? Verkäufer? Postbotin? Putzmann? Schliesslich wollen auch junge Leute ihre Familie ernähren können. Doch nein – es ging um die Psychiatrie im Vergleich zu anderen medizinischen Fachrichtungen.

Wie unterschiedlich ärztliche Leistungen, je nachdem, mit welchem Körperteil sie sich beschäftigen, pekuniär belohnt werden, erfüllt mich immer wieder mit Staunen. Laut den zitierten Zahlen des Bundesamts für Statistik liegen die Durchschnittsjahreslöhne bei Kinder- und Jugendpsychiater:innen bei 141 000 Franken, bei Kardiolog:innen hingegen bei 416 000 Franken. Da könnte man aber noch sagen, die einen halten unser Herz am Schlagen, während sich die anderen mit Unsichtbarem herumschlagen müssen; und dass in der Fachrichtung fürs männliche Sexualorgan noch mehr verdient wird, liegt im Patriarchat nahe. Doch dass ausgerechnet jene, die uns prioritär in den Hintern gucken, am besten entlöhnt werden, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.

Doch ganz davon abgesehen, muss man ja auch mit 141 000 Franken Jahreslohn nicht darben. Für die Generation Y – geboren ab 1980 –, die viel Wert auf Flexibilität im Job legen soll, scheint da doch Psychiater:in eine ideale Aufgabe.

Aber im Grunde kann ich mir gar nicht wirklich vorstellen, wieso Einkommensunterschiede auf einem insgesamt hohen Niveau darüber bestimmen, ob ein junger Mensch lieber Därme statt Seelen erforscht. Und ein Psychiater, ders nur fürs Geld macht, wäre mir auch unheimlich.