Diesseits von Gut und Böse: Stadt ohne Knast

Nr. 5 –

Verbrechen gibt es, und wie eine Gesellschaft sie bestraft, wirft ein Licht aufs verbreitete Menschenbild und die Vorstellungen darüber, was die Strafe bewirken soll. In zivilisierten Gesellschaften erhofft man sich bestenfalls Resozialisierung. Doch auch in der Schweiz seien die Gefängnisse überfüllt, und die Strafverfahren dauerten zu lang, heisst es, man müsse das ganze System überdenken.

Die kleine Fernsehserie «A Better Place», die letzte Woche in der ARD lief, versuchte sich an neuen Gedanken: In einem verwegenen Experiment wagt eine fiktive Stadt, die einsitzenden Straftäter:innen zu entlassen, um ihnen im begleiteten Programm «Trust» – deutsch: Vertrauen – die Möglichkeit zu geben, wieder Tritt zu fassen.

Die Geschichte ist eine Art Krimi mit umgekehrten Vorzeichen. Die Handlung beginnt, wenn die übliche Reihenfolge – Verbrechen, Ermittlung, Festnahme – längst abgeschlossen ist. Unter der Leitung einer charismatischen Kriminologin, deren Elan schon zu Beginn leise nervt, und des fortschrittlichen Oberbürgermeisters, jung und PoC, werden die Gefängnisinsassen – wie in der Realität meist Männer – in die Freiheit entlassen, bekommen einen Wohnplatz, einen Job und eine:n Betreuer:in. Und die Bevölkerung bekommt Angst.

Wie der Film an seinen Protagonist:innen durchexerziert, was da alles schief-, aber auch gut gehen kann, ist hervorragend inszeniert, ungeheuer spannend und laut «Süddeutscher Zeitung» «eine hochkomplexe Versuchsanordnung, getragen von einer herausragenden Besetzung». Das Experiment muss zwangsläufig scheitern, und doch gelingt den Filmemacher:innen am Ende ein leiser Hauch von Optimismus.

Aber kaum jemand wollte das sehen. «Keine Gefängnisse? Keine Zuschauer!», hiess es im «Kölner Stadtanzeiger», die ARD habe «einen kapitalen Quotenflop produziert». Man sah sich lieber das parallel laufende «Aktenzeichen XY» an, wo Verbrecher noch dort hinkommen, wo sie hingehören: in den Knast.

Die achtteilige Serie lässt sich noch bis Ende 2025 in der ARD-Mediathek abrufen – auch in der Schweiz ohne Geoblocking.