Ausstellung: Quer den Fäden entlang

Nr. 16 –

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Ausschnitt aus dem textilen Kunstwerk «Kleine Liebeserklärung» von Lissy Funk
«Textile Manifeste. Von Bauhaus bis Soft Sculpture» in: Zürich Museum für Gestaltung, bis 13. Juli 2025.

Unter den gestretchten Nylonstrumpfhosen empfängt uns ein übergrosser Roadrunner und starrt uns aus strengen Fadenaugen an. ­Dahinter tun sich Schichten vielfältigster Stoffe auf – und mit ihnen der erste leichte Schwindel.

Die Ausstellung «Textile Manifeste» präsentiert das Schaffen von über sechzig Künstler:innen und erzählt die Geschichte der Textilkunst von heute zurück bis zur Bauhaus-Gründung 1919. Die Hintergrundinformationen dazu muss man suchen, denn die Geschichte wird grösstenteils entlang der Biografien der Kunstschaffenden aufgerollt, die in der Raummitte zu Gruppen zusammengefasst sind. Das schafft Bezüge zwischen den Künstler:innen, weniger aber zu deren Werken oder dem gesellschaftlichen Kontext. An einigen Stellen scheitert der Informationsfluss schlicht am Ausstellungsaufbau: Wer auf den Hockern vor den fest installierten Audiokommentaren sitzt, sieht teils die beschriebenen Vitrinen und Werke nicht.

Rund um die biografische Mittelachse fächert sich ein breites Spektrum an Themen auf. Über Textlinien am Boden schreitet man einmal im Kreis: von «Soziales Gewebe» über «Farbe bekennen» zu «Fluid bleiben» und weiteren acht Themen. Neben bekannten Werken, etwa von Sophie Taeuber-Arp, gibt es traditionelle Exponate aus der Sammlung und Arbeiten aus den Textilklassen der Kunstgewerbeschule (heute ZHdK) zu entdecken.

«Textile Manifeste» will viel, zeigt viel und lässt genauso viele Fragen offen. Wer einfach «den Faden aufnimmt», wie es auf der ersten Tafel heisst, und sich von einem Werk zum nächsten ziehen lässt, nimmt trotzdem einiges mit. Zum Beispiel die bewegte Geschichte von Gunta Stölzl, der ersten Werkmeisterin am Bauhaus; Webereien wie jene von Shigeo Kubota oder Lia Cook, in die man beim ersten Blick versinkt; oder Frenzi Riglings «Tagebuchblätter», eine feine Spurensuche entlang ihrer Alltagskleidung. Diese Momente machen spürbar, was die Ausstellung im Titel postuliert: dass Textilien über häuslichen Gebrauch hinaus auch politische Statements sein können.