Diesseits von Gut und Böse : Die Duschdiskriminierung

Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie das hier gerade im Freibad lesen, ist relativ hoch, denn wo sonst als in der Nähe von kühlendem Nass und Glaceständen kann der Mensch derzeit überleben? Wobei sich das Nass in vielen Seen seit Tagen so besorgniserregend erwärmt, dass man darin nicht Fisch sein möchte.
Vielleicht sitzen Sie ja im St. Galler Freibad Lerchenfeld und sind dazu noch eine Frau. Dort locken Fünfzigmeterbecken, Sprungturm, Beachvolleyball- und Basketballfelder sowie Tischtennistische. Und egal welchen Geschlechts: Wer all das ausgiebig genossen hat, möchte gern am Ende ohne Badebekleidung duschen und sogar die Haare waschen. Doch solche Duschen gibts im Lerchenfeld seit vielen Jahren nur in der Herrengarderobe. Frauen bleibt die kalte Dusche am Beckenrand. Über die Gründe kursieren verschiedene Legenden, die man am besten beim städtischen Bauamt erfragt.
Vor zwei Jahren forderte eine frustrierte Besucherin per Bevölkerungsvorstoss, einer St. Galler Variante demokratischer Teilnahme, eine «warme Dusche und einen Haarföhn für Frauen». Daraufhin wurde auf den diesjährigen Saisonstart hin «eine Dusche mit Umkleidemöglichkeit» versprochen.
Die steht jetzt da: ein kombinierter WC-Dusch-Container der Firma Toi Toi, angemietet von der Stadt für eine Saison und rund 7000 Franken. Ein «mobiles barrierefreies Badezimmer», geschlechtsneutral nutzbar für eine Person und «möglich dank: Cerebral», dient als Frauendusche.
Es handele sich um einen «Versuchsbetrieb», sagte der Baudirektor dem «St. Galler Tagblatt»: «Der Badebetrieb möchte nicht nur schauen, ob es die Duschmöglichkeit braucht, sondern auch, wie sie genutzt wird und was die Bedürfnisse sind.» Da haben wir also einen Baudirektor, der erst schauen muss, was die Bedürfnisse weiblicher Badegäste sind. Dass er bis anhin davon ausging, das weibliche Besuchersegment husche gern ungeduscht von dannen, würde ich ihm natürlich nie unterstellen.