Diesseits von Gut und Böse: Gesund und munter

«Hierzulande hat man einen gesunden Umgang mit Geld», stand in der letzten «NZZ am Sonntag». Was der Autor unter «gesund» versteht, entwickelte er in einem länglichen Text.
Mit Thesen wie «Selbst in der Krise geben Schweizerinnen und Schweizer munter Geld aus», «Schweizer glauben, dass es schon irgendwie gut kommt», «Diese Krisenfestigkeit ist einmalig» oder «Mit ihrer Resilienz sind die Schweizer Konsumenten der Volkswirtschaft eine enorme Stütze» et cetera deutete er die Schweizer Volksseele anhand ihres Konsumverhaltens. Selbst als der Krieg gegen die Ukraine ausgebrochen sei, «wurde geshoppt, als wäre nichts passiert».
Wäre die Schweiz ein Comic, hätten ihre Bewohner:innen $-Zeichen in den Augen. Man kann es auch so zusammenfassen: Shoppen, bis der Arzt kommt. Doch der Autor ist der Meinung, die hiesigen Konsument:innen erführen zu wenig Wertschätzung: «Allenthalben wird gemäkelt und an ihnen herumkritisiert. Sie sollen bewusster konsumieren, auf dieses verzichten und dort nicht einkaufen.» Dass sich ein Wirtschaftsjournalist der Folgen des wahnhaften Überkonsums derart nicht bewusst sein soll, halte ich für so unwahrscheinlich, dass ich schon begann, den Text für eine Satire zu halten.
Auf die hier lebenden Individuen bezogen, von denen ganz sicher ein Teil nicht «munter» Geld ausgeben kann, während sehr wenige breitärschig auf ihren Milliarden sitzen, sind diese Thesen einfach dumm. Auf die Schweiz als Staatsgebilde und Gesellschaft bezogen, gebe ich dem Mann jedoch recht: Es geht in diesem Land immer nur und ausschliesslich ums Geld. Nur «gesund» scheint mir der Umgang damit nicht.
Ob es um Kürzungen beim Bundesbudget geht, um Zahlungen an Hilfswerke oder ärmere Länder, um Sozialleistungen, um die Unterstützung armer Menschen – der Rotstift sitzt locker.
Muss aber eine Grossbank gerettet werden, scheint man plötzlich Reserven aus Onkel Dagoberts Geldsilo lockermachen zu können. Und bei Erbschaftssteuern für Leute, die über fünfzig Millionen (!) besitzen, gebärdet man sich, als wolle man hungernden Kindern den letzten Brotkanten wegnehmen.
Dabei will unser kleines, neutrales Land doch einfach nur Handel treiben – und zwar mit allen. Igitt.