Ein Leitbild

Sieben Punkte für die WOZ.

  1. Die WOZ ist die grösste linke und unabhängige Wochenzeitung in der Schweiz.
  2. Links zu sein, heisst für die WOZ-Redaktion, gesellschaftliche Zustände nie als naturgegeben hinzunehmen, sondern sie als Ausdruck von Machtverhältnissen und daher als veränderbar zu betrachten. Die Aufgabe der WOZ als linke Zeitung ist es, all jene Machtverhältnisse zu beschreiben, zu hinterfragen und zu analysieren, die verhindern, dass Menschen frei und in Würde leben können.
  3. Die WOZ ist der journalistischen Redlichkeit und Genauigkeit verpflichtet. Politisch versteht sich das WOZ-Kollektiv als selbstständiger Teil jener zahlreichen Bewegungen und Organisationen in der Welt, die sich zum Ziel gesetzt haben, mehr Gerechtigkeit und Selbstbestimmung für die Menschen einzufordern: Die WOZ berichtet über diese Bewegungen und sorgt dafür, dass ihre Erfahrungen – Erfolge oder Rückschläge, Triumphe oder Fehler – nicht in Vergessenheit geraten. Die WOZ ist dabei nie parteiisch, aber durchaus parteilich: Sie nimmt Partei, wo sie dies für nötig hält, gegenüber allen Programmen bleibt sie skeptisch. Die Positionen der WOZ werden allein von den WOZ-Redaktor:innen bestimmt.
  4. Die WOZ informiert über politische, wirtschaftliche, kulturelle und alltägliche Ereignisse und Phänomene. Sie spürt den Veränderungen in der Gesellschaft nach und versucht, diese sichtbar und begreiflich zu machen. Die WOZ präsentiert dabei nicht einfach Fakten, sondern sie bemüht sich, ihre Berichterstattung in einen Kontext einzubetten: Die WOZ will die Welt in ihren Zusammenhängen verstehen und nicht nur in Bruchstücken betrachten. Ein genaues Verständnis der vorgefundenen Verhältnisse ist die Grundlage jeder emanzipatorischen Veränderung.
  5. Die WOZ erwartet von ihren Mitarbeiter:innen Neugier, Offenheit und Leidenschaft für Menschen und ihre Meinungen. WOZ-Macher:innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit ihren eigenen Ansichten nicht zurückhalten, diese aber stets neu und selbstkritisch überprüfen. WOZ-Journalist:innen kümmern sich nicht nur um den Inhalt ihrer Texte, sie pflegen auch die journalistische Form. Denn die Lust an der Sprache lebt von der Lust am Denken und umgekehrt: Ein guter Inhalt verlangt nach einer guten Form.
  6. Zum Publikum der WOZ gehören all jene Leute, die Wert auf einen aufklärerischen und engagierten Journalismus legen. Alle, die gewohnt sind, unabhängig zu denken und selbstständig zu handeln. WOZ-Leserinnen und WOZ-Leser werden von ihrer Zeitung ernst genommen und nie für dumm verkauft. WOZ-Leser:innen sind offen für Denkanstösse, für Widerspruch, aber auch für Provokationen. Sie erwarten viel mehr von einer Zeitung als die Wiederaufbereitung der herrschenden Meinungen, Klischees und Vorurteile.
  7. Die WOZ ist gleichzeitig Unternehmen und Projekt. Wie alle anderen Medienunternehmen funktioniert auch die WOZ nach marktwirtschaftlichen Prinzipien: Sie lebt davon, ihre Produkte an möglichst viele Leser:innen und Inserent:innen zu verkaufen. Anders als andere Medienunternehmen versteht sich die WOZ aber gleichzeitig als ideelles Projekt: Sie funktioniert als Betrieb nach demokratischen Regeln und ist im Besitz ihrer Macher:innen, sie orientiert sich publizistisch immer zuerst nach inhaltlichen und erst dann nach kommerziellen Kriterien. Diese Mischform zwischen marktwirtschaftlichem Unternehmen und linkem Projekt macht die WOZ einzigartig. Um ihre Besonderheit und Unabhängigkeit zu bewahren, ist die WOZ allerdings auf das Engagement ihrer Macherinnen und Macher und auf eine enge Verbindung zu ihren Leserinnen und Lesern weit mehr angewiesen als andere Zeitungen.

27. Juli 1999

(Ja, seit 1999 ist einiges passiert – politisch, gesellschaftlich und vor allem in der sich rasant wandelnden Medienbranche. Das WOZ-Leitbild aus jenem Jahr gilt aber noch immer und spiegelt in erstaunlicher Weise auch das heutige Selbstverständnis des Kollektivs.)