Im Affekt: Morgen ist auch noch ein Tag? Vaffanculo!

Nr. 21 –

Nichts gegen «Die göttliche Ordnung», aber in gewisser Weise war der Film schiere Propaganda. Der Skandal, dass dieses zivilisierte Land erst 1971 das Frauenstimmrecht einführte, geglättet zur erbaulichen Komödie: prima Imagekampagne für die politische Schweiz, dass man hier die eigene Rückständigkeit so selbstironisch weglachen kann!

Italien war um einiges früher dran mit dem Frauenstimmrecht – und hat jetzt auch den Kinohit dazu: «C’è ancora domani», das Regiedebüt der Schauspielerin Paola Cortellesi, die damit wichtige Debatten angestossen hat. In den italienischen Kinos brach der Film alle Rekorde – weit über fünf Millionen Eintritte, fast so viele wie «Barbie» und «Oppenheimer» zusammen.

Der Film spielt 1946, als Frauen in Italien erstmals an die Urne durften, aber im Zentrum steht etwas anderes: die Emanzipation einer Frau und Mutter (gespielt von Cortellesi selbst), die von ihrem Ehemann regelmässig verprügelt wird.

Die Gewalt ist völlig ritualisiert in ihrem ehelichen Alltag, aber allzu schwer und düster solls für Cortellesi dann bitte doch nicht sein. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, nicht wahr? Wenn der Mann zuschlägt, zeigt der Film das als romantischen Paartanz. Häusliche Gewalt, inszeniert wie ein Musical: Ist das provokant, bewusst auf Irritation angelegt? Oder einfach obszön und unbedarft, weil Gewalt gegen Frauen so verkitscht wird?

Angesichts der «Emanzipation», die der Film für seine Hauptfigur Delia bereithält, eher Letzteres. Da werden wir mit billiger Suspense-Mechanik zum Mitfiebern angehalten: Wird es Delia schaffen, sich von ihrem gewalttätigen Mann zu lösen? Zuletzt aber ist die Gewalt in der Ehe plötzlich irgendwie egal, weil sich Delia dann über etwas ganz anderes freut, das damit gar nichts zu tun hat. Schon verstanden: Eine Frau muss zuerst zum politischen Subjekt werden, damit sie sich befreien kann. Aber als politisches Subjekt müsste sie dann auch solchen Kitsch zurückweisen.

Ein «mutiger Film», lobte übrigens Giorgia Meloni. Aber daraus drehen wir der Regisseurin jetzt keinen Strick.