Im Affekt: Morgen, Kinder, wirds nichts geben

Nr. 50 –

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Guetsli, Apéros, Kerzenschein: Was gibt es Schöneres als die Adventszeit, so wohlig warm, feuchtfröhlich und besinnlich. Besinnen soll man sich auf das Wesentliche im Leben, etwa auf die Menschen, die einem wichtig sind und denen gegenüber man mit einer Bescherung seine Wertschätzung ausdrückt. Genau das hatte jüngst das Management von Tamedia im Sinn, dem Medienhaus der TX Group.

Wie schon berichtet, steigerte deren Besitzerfamilie Coninx laut «Bilanz» ihr Vermögen im vergangenen Jahr auf 3,5 Milliarden Franken – was einen gewiss festlich stimmt. Prompt hat sich Tamedia zur Adventszeit etwas Schönes für seine lieben Mitarbeiter:innen überlegt: Der Wichtel höchstpersönlich brachte ihnen ein «Weihnachtsgeschenk», und zwar einen Sack Mehl. Pardon, eine Backmischung, der nur noch Butter und Milch hinzugefügt werden müssen für einen Teig, aus dem dann ein köstlicher Grittibänz gebacken werden kann.

Ein wahrhaft grosszügiges Geschenk, denkt man sich, und so viel besser, als wenn man den Mitarbeiter:innen zum Beispiel einfach einen fertigen Grittibänz geschenkt oder gar einen Bonus bezahlt hätte. So bin ich als Mitarbeiterin gefordert, darf mich aktiv selber einbringen.

Und es kommt noch besser: Denn das hier ist nicht einfach bloss ein Geschenk zum Selberbacken, nein, es ist auch noch ein Wettbewerb! Die Mitarbeiter:innen sind aufgefordert, Fotos ihrer Grittibänzen einzusenden, für die schönsten winken tolle Preise.

Auch hier zeigt sich das Management sehr vorausschauend: Man soll den Untergebenen nicht einfach Geschenke hinterherwerfen, sondern ihnen etwas bieten, mit dem sie ihre Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit stählen können. Das wird ihnen auch in Zukunft – die für die Medienbranche bekanntlich nicht ganz so glänzend aussieht – helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Froh sein, überhaupt noch einen Job zu haben. Zumindest bis zur nächsten Massenentlassung.

Die gültige Parole gegen solchen neoliberalen Schwachsinn haben Tocotronic ausgegeben: «Was ihr auch macht / Macht es nicht selbst.»