Der Weg des Goldes: Von Darfur nach Dubai – und weiter in die Schweiz?

Nr. 50 –

Was in sudanesischen Minen gefördert wird, landet teils über Umwege auf dem Weltmarkt. Die Schweiz ist im Goldhandel eine wichtige Akteurin, aber die hiesige Gesetzgebung hinkt hinterher.

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Erst seit 2011 spielt das Gold für die Wirtschaft des Sudan eine zentrale Rolle. Wichtigste Einnahmequelle war bis dahin das Erdöl – aber mit der Unabhängigkeit des Südsudan verlor das Land drei Viertel seiner Vorkommen, und neunzig Prozent seiner Deviseneinnahmen brachen weg. Im selben Jahr entdeckten Kleinschürfer in Dschebel Amir, einer damals noch dünn besiedelten Bergregion im Bundesstaat Norddarfur, die ersten Goldvorkommen. Damit wurde in der kargen Gegend ein Boom des handwerklich betriebenen Kleinbergbaus ausgelöst.

Unter Kontrolle eines Kriegstreibers

Dem Goldrausch begegneten die traditionellen Autoritäten in der Region, Angehörige der arabischen Bevölkerungsgruppe der Beni Hussein, indem sie effektive Verwaltungsstrukturen schufen, darunter Bergbaukomitees, die den Zugang zu den Goldvorkommen kontrollierten und Gebühren erhoben. Dies allerdings empfand die Zentralregierung von Langzeitherrscher Umar al-Baschir im rund tausend Kilometer entfernten Khartum als Bedrohung. Sie versuchte, die Kontrolle über den lokalen Goldabbau und -handel zu erlangen – wo nötig mit Waffengewalt. Bereits 2012 nahmen Baschirs berüchtigte Dschandschawid-Reitermilizen Dschebel Amir von den Beni Hussein ein.

Aus den Dschandschawid wurden im Jahr darauf die Rapid Support Forces (RSF), geführt vom heutigen Kriegstreiber Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti. Bis 2017 erlangten die RSF die Kontrolle über die meisten Minen Norddarfurs. Der Goldabbau wurde dort kaum industrialisiert, er blieb grösstenteils handwerklich, wobei aber das mit den RSF verbandelte Unternehmen al-Dschunaid die Kontrolle über die Verarbeitung der Rückstände aus dem Schürfprozess übernahm. Diese enthalten häufig Gold, das sich mittels Chemikalieneinsatz gewinnen lässt. Zudem übernahm die Firma den Goldexport aus der Region.

Geführt wird al-Dschunaid, das eine Niederlassung in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hat, von Hemetis älterem Bruder Abdulrahim Hamdan Daglo. Das Gold hat die Familie reich gemacht, ihre zahlreichen Unternehmen hat sie mittlerweile erfolgreich diversifiziert. In sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, gehört Hemeti heute mutmasslich zu den reichsten Warlords Afrikas.

Intransparente Lieferketten

Marc Ummel von der NGO Swissaid verfolgt den Weg des sudanesischen Goldes auf den Weltmarkt sehr genau. Zumindest so genau es geht: Weil es in den RSF-kontrollierten Minen vor allem handwerklich geschürft werde, seien die Lieferketten mit zahlreichen Zwischenhändlern und oft mehreren Transitländern sehr komplex und intransparent, erklärt Ummel. Häufig werde das Gold auf den Transportrouten mehrfach raffiniert, «und nach dem Raffinieren ist die Herkunft nicht mehr nachweisbar». Zwar wird Gold auch in jenen Regionen des Sudan, die derzeit unter der Kontrolle der Armee stehen, überwiegend handwerklich abgebaut. Immerhin aber wird es dort eher in den offiziellen Staatsangaben zu Produktions- und Exportmengen erfasst.

Anders in den RSF-kontrollierten Gebieten. Was dort gefördert werde, lasse sich nur schätzen, sagt Ummel. Er geht von jährlich zehn bis fünfzehn Tonnen aus. Dieses Gold gelangt auf Schmuggelrouten aus dem Land, etwa über die Nachbarländer Tschad, Libyen, Ägypten und Zentralafrikanische Republik. Ob aber geschmuggelt oder offiziell exportiert: In den meisten Fällen landet das Gold schliesslich in den Emiraten, etwa in Raffinerien in Dubai. «Die VAE sind der zentrale Knotenpunkt für den Weg des sudanesischen Goldes auf den internationalen Markt», sagt Ummel.

Die Beteiligung der Emirate am Krieg im Sudan ist komplex und undurchsichtig. Auf der einen Seite unterhalten sie enge wirtschaftliche Beziehungen zur international anerkannten Militärregierung; gemäss sudanesischer Zentralbank gingen in der ersten Hälfte dieses Jahres rund neunzig Prozent der offiziellen Goldexporte in die VAE. Gleichzeitig gibt es viele Indizien dafür, dass die Emirate auch die rivalisierenden RSF umfangreich unterstützen. Es geht um Waffenlieferungen, finanzielle und logistische Beihilfen – sowie etwa auch die Vermittlung kampferprobter Söldner aus Kolumbien.

Auf eine Anfrage der WOZ, dazu Stellung zu nehmen, reagierte das Aussenministerium der VAE nicht. In der Vergangenheit hatten die Emirate entsprechende Vorwürfe aber wiederholt öffentlich zurückgewiesen.

Gesetz noch nicht in Kraft

Der Krieg im Sudan scheint das emiratische Goldgeschäft in der Region jedenfalls zu beflügeln. Unter Berufung auf die Uno-Aussenhandelsdatenbank Comtrade hat Swissaid zuletzt bekannt gegeben, dass die VAE 2024 offiziell 29 Tonnen Gold direkt aus dem Sudan importiert hätten – wobei diese Zahl aber Anfang November, wenige Tage nach der Publikation, wieder aus der Comtrade-Datenbank entfernt worden war. Die Daten würden in diesem Jahr «doppelt überprüft», erklärte Comtrade daraufhin gegenüber «Swissinfo». Dies aufgrund einer frappanten Trendabweichung: 2023 waren es noch 17 Tonnen gewesen. Andere Zahlen zum Jahr 2024 sind bei Comtrade weiterhin abrufbar: Demnach kamen grosse Goldmengen auch aus Ägypten (27 Tonnen), dem Tschad (18 Tonnen) und Libyen (9 Tonnen) in die VAE.

Währenddessen sind auch die Goldimporte der Schweiz aus den Emiraten in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Gemäss Swissaid gelangten allein zwischen Januar und September dieses Jahres 316 Tonnen im Wert von über 27 Milliarden Franken aus den VAE in die Schweiz – das entspricht mehr als einer Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren. Woher das Gold ursprünglich kommt, lässt sich nicht bestimmen, wenn es in den Emiraten weiterverarbeitet wurde.

Immerhin: Was die Rückverfolgbarkeit und die behördlichen Kontrollmöglichkeiten betreffe, habe die Schweiz ihre Gesetzgebung zuletzt deutlich verbessert, sagt Marc Ummel. Im Sommer hat das Parlament eine Revision des Edelmetallkontrollgesetzes verabschiedet. Künftig wird die Sorgfaltspflicht schweizerischer Raffinerien auf den Anforderungen der OECD basieren. Das heisst: Während sie nach aktueller Gesetzgebung die Legalität ihrer Goldware bloss bis zum letzten Lieferanten zurückverfolgen müssen, werden Importeure – insbesondere Raffinerien – bald die gesamte Lieferkette zu kontrollieren haben. «Die Revision des Gesetzes war etwas Positives», sagt Ummel. Aber er relativiert: «Es gibt noch viele offene Fragen dazu, wie genau die Umsetzung erfolgen soll.» Solange die Details nicht geklärt sind, tritt das Gesetz nicht in Kraft, und alles läuft wie bisher.

Dazu passt die Antwort des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit auf eine Anfrage der WOZ: «Grundsätzlich handelt es sich bei Goldlieferungen um normalen Handelswarenverkehr», schreibt es. «Einfuhren aus den VAE sind weder sanktioniert noch sonst von Einfuhrbeschränkungen betroffen.» Ein Zustand, der den Kriegsprofiteuren im Sudan und in den Emiraten zugutekommt. Etwas Druck kam zuletzt aus dem Bundesparlament, wo die SP vergangene Woche drei Motionen zum Krieg im Sudan einreichte: In einer davon wird vom Bundesrat gefordert, eine gesetzliche Grundlage für eine «lückenlose Deklarationspflicht der tatsächlichen Herkunft» von importiertem Gold auszuarbeiten.