Im Affekt: Eine Wette aufs autoritäre Zeitalter

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Die Umfrageteilnehmer:innen auf «20 Minuten Online» sind nicht gerade für ihre kritische Haltung bekannt, aber bei dieser Meldung machen sogar sie nicht mehr mit (58 Prozent finden das «problematisch und unneutral»): Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat tatsächlich Aktien von Donald Trumps eigener Social-Media-Plattform Truth Social gekauft. Truth Social ist die rechte Alternative zu Twitter, die gegründet wurde, als Twitter selber noch nicht rechts war. Besser gesagt hat die SNB Anteile der dahinterstehenden Firma gekauft, der Trump Media and Technology Group, die übrigens bald auch in Kryptowährungen investieren will und deren Chef nun Vorsitzender eines Geheimdienstausschusses werden soll. Wieder mal eine sehr trumpsche Verwicklung also, zu der jetzt auch die SNB gehört.

Bei «20 Minuten» fordert der grüne Nationalrat Gerhard Andrey ethische Richtlinien für die Investitionen der Bank und weist darauf hin, dass ziemlich viel von deren Geld auch schon im trumpstaatsnahen Konzern Tesla steckt. «Solche breiten Investitionen» findet FDP-Nationalrat und Digitec-Galaxus-Gründer Marcel Dobler seinerseits «absolut sinnvoll und legitim». Mit «breit» meint man am Finanzmarkt, dass man allen ein bisschen was gibt, sodass man immer ein bisschen was davon hat, wenn die einen oder die anderen gewinnen. Was die SNB macht, warnt Dobler, dürfe man auf keinen Fall «verpolitisieren».

Den Insiderblick des Finanzmarkts, der in jeder erdenklichen Katastrophe auch ein mögliches Investmentglück sieht, mal beiseite: Was soll denn an einem Investment in eine unpopuläre und darum auch unprofitable Social-Media-Plattform, die vor allem der ungestörten Verbreitung von Falschnachrichten und der Agitation von rechtem Hass dient, bitte schön unpolitisch sein? Oder wollen wir uns eine Welt vorstellen, in der Truth Social das neue Facebook ist? Aktien von Truth Social sind eine Wette aufs autoritäre Zeitalter, so viel Ethik sollte sogar der Finanzmarkt vertragen.

Und jetzt zu den Börsennews: Trotz kurzzeitiger Verluste wegen Trumps hektischer Handelspolitik hat der SMI seit Jahresbeginn 7,26 Prozent zugelegt.