Neue Yogabücher: Sonnengrüsse unter Hitler-Fans
Auch das noch: Yoga, wie man es im Westen kennt, soll massgeblich dank obskuren rechten Gestalten populär geworden sein. Aber soll man es deshalb gleich lassen?
Leute mit zusammengerollter Matte unterm Arm sind im Globalen Norden kaum mehr aus dem Strassenbild wegzudenken, genauso wenig wie die von ihnen besuchten Studios. Yoga ist aber nicht nur ein gefragter Zweig der Fitnessindustrie, sondern auch eine sehr politische Angelegenheit. Indiens Premierminister Narendra Modi hat sich gar persönlich der Förderung von Yoga verschrieben: 2014, kurz nach seiner Wahl zum Regierungschef, warb er vor den Vereinten Nationen dafür, den 21. Juni zum Weltyogatag zu erklären – eine Initiative, die die Uno-Generalversammlung mit grosser Mehrheit unterstützte.
Bald jedoch wurden Stimmen laut, die darauf hinwiesen, dass Modis sanftmütige Worte, Yoga stehe für die «Harmonie zwischen Mensch und Natur» und einen «ganzheitlichen Ansatz zu Gesundheit und Wohlbefinden», nicht so recht zu seiner antimuslimischen Politik passen. Die US-Soziologin (und Yogalehrerin) Sheena Sood spricht von «Omwashing», was zum Ausdruck bringen soll, dass hier eine in aller Welt beliebte Körperpraxis zur Bemäntelung eines ultrareaktionären Programms benutzt wird, das in der indischen Nation ausschliesslich für Hindus Platz sieht. Auch ein 2020 an der University of California entstandenes Paper analysiert, wie die indische Rechte ihre Ideologie den Körpern der Bürger:innen einzuschreiben versucht: Bei den unter anderem vom italienischen Faschismus inspirierten RSS-Milizen etwa, dem «zivilgesellschaftlichen» Arm des Hindunationalismus, gehört Yoga zum Trainingsrepertoire.
Die Wurzeln des Booms
Einer ähnlichen Spur, die allerdings durch hiesige Breitenkreise führt, ist Stewart Home gefolgt. «Fascist Yoga» heisst die auf Englisch erschienene Studie des 63-jährigen Schriftstellers und Kunstaktivisten, seit Jahrzehnten eine schillernde Figur der britischen Gegenkultur. Das Buch will «Schwindler, Okkultisten, Rassisten» ins Rampenlicht rücken, wie der Untertitel verspricht.
Home hat selbst jahrelang Yoga praktiziert, weil die Kurse gratis in seinem Fitnessabo enthalten waren und weil er den eigenwilligen Ehrgeiz entwickelt hatte, einen Kopfstand zu beherrschen. Dieses Ziel erreichte er auch, und doch kamen ihm bald Zweifel an seinem Hobby: wegen Lehrer:innen, die ihn mit esoterischen Sprüchen traktierten. Oder wegen der Missbrauchsfälle, in die prominente Gurus verstrickt waren. Home begann schliesslich, die Ursprünge dessen zu recherchieren, was er da im Gym praktizierte.
Trotz des plakativen Titels behauptet sein Buch nicht, dass Yoga als solches faschistisch sei – was allein schon deswegen vermessen wäre, weil gar nicht so leicht zu definieren ist, was der Begriff «Yoga» genau bezeichnet. Vielmehr konzentriert sich Home auf die angloamerikanischen Wurzeln des heutigen Yogabooms und zeichnet das Wirken einiger obskurer früher Wegbereiter nach. Es geht also um Leute wie den 1875 in den USA geborenen Pierre Bernard: Erstmals Schlagzeilen machte dieser mit einem Auftritt, bei dem er angeblich Atmung und Herzschlag derart verringerte, dass er tot zu sein schien. Später gründete er den Tantrischen Orden von Amerika, eine okkulte Gemeinschaft, die sich besonders Leibesübungen verschrieb. Diese wollte Bernard von einem in die USA emigrierten indischen Guru gelernt haben, was laut Home eine zweifelhafte Story sein dürfte. Entsprechend folgert er, dass das, was damals als Yoga vermarktet wurde, eine «moderne westliche Erfindung» gewesen sei, «die mit dahergebrabbelten altindischen Begriffen aufgepeppt wurde».
Bernard verkehrte in der High Society der Ostküste und verhalf Yoga in den USA zu Bekanntheit, eine politische Agenda im engeren Sinn verfolgte er aber nicht. Bei den europäischen Yoga-Enthusiast:innen sah das mitunter anders aus. Als etwa italienische Freischärler 1919 Rijeka auf dem Gebiet des heutigen Kroatien besetzten, gründete dort der Weltkriegsveteran Guido Keller eine Gruppe mit dem Namen «Yoga». Neben protofaschistischen Affinitäten teilten deren Mitglieder laut Home die Faszination für fernöstlichen Mystizismus, was ihren Namen erklärt – und auch, warum sie das Hakenkreuz als Symbol benutzten.
In Grossbritannien war wiederum ein Hitler-Bewunderer namens Francis Yeats-Brown wichtig für die Popularisierung von Yoga. Dieses lernte er wohl bei einem New-York-Aufenthalt über Pierre Bernard kennen. Später wurden seine Memoiren über seine Zeit als Offizier in Indien, die er mit Verweisen auf dortige spirituelle Praktiken würzte, zum Bestseller und in Hollywood mit Gary Cooper verfilmt. Home zufolge war Yeats-Brown auch davon überzeugt, dass Yoga einst von arischen Invasor:innen ins Industal gebracht worden war – derart «rassentheoretische» Hypothesen befeuerten auch das Interesse des Nazimassenmörders Heinrich Himmler am Hinduismus.
Eifrig bis ins Detail
Mit Verve beleuchtet Home so einen Zweig der Rechtsesoterik, der obsessiv in den kulturellen Beständen Südasiens nach Alternativen zur westlichen Moderne suchte. Die Ausläufer davon reichen bis in die Gegenwart: Unter den Werken des italienischen Rechtsextremisten Julius Evola etwa, der noch heute von Leuten wie dem früheren Trump-Intimus Steve Bannon verehrt wird, findet sich nicht von ungefähr auch eins über Yoga.
Mitunter führt Homes quellenkritischer Eifer allerdings übermässig ins Detail, während er bei eigenen Urteilen weitaus laxer ist. Etwa, wenn er am Ende wegen Verletzungsgefahr gänzlich von Yogakursen abrät – dabei müsste der Sport, der risikofrei ist, wohl erst erfunden werden. Auch einen wirklichen Nachweis für die Behauptung, dass das, was heute als Yoga praktiziert werde, in Wahrheit Gymnastik skandinavischen Ursprungs sei, liefert er nicht.
Trotzdem erweitert sein Buch den Blick auf einen nicht unerheblichen Teil der heutigen Alltagskultur – genauso wie der deutsche Islamwissenschaftler Stefan Weidner in seinem neuen Buch. Weidner zeichnet darin die Geschichte des Yoga über die Jahrhunderte nach, und zwar mit Fokus auf die Transformationen, die die indische Lehre durch Einflüsse von anderswo erfahren hat. Ein wichtiger Protagonist ist ein Mann namens Swami Vivekananda, der mit seinen Vortragsreisen in die USA und nach Europa die weltweite Popularität von Yoga massgeblich befördert habe. Besonders ein Auftritt 1893 in Chicago sorgte für Aufsehen: Vivekananda warb dort für einen modernen und weltoffenen Hinduismus – dieser sollte eine Säule eines neuen, unabhängigen Indien werden. Yoga war für ihn dabei «die Lehre von der richtigen Haltung zur Welt: äusserlich teilhabend, innerlich distanziert», wie Weidner schreibt.
Lektion ohne Matte
Das Körpertraining, das man heute vor allem mit Yoga verbindet, spielte für Vivekananda keine Rolle. Im 19. Jahrhundert begann man nämlich zwei Traditionslinien zu unterscheiden: einerseits das Raja-Yoga, das Königsyoga, das eine geistig-meditative Praxis bezeichnet, und andererseits das Hatha-Yoga, das Kraftyoga, das um Körperübungen kreist und bestimmte «Asanas» (Sitze) hervorgebracht hat. Letzteres galt der sich herausbildenden modernen Elite Indiens eher als Sache von Fakiren und Schlangenbeschwörern. Mit der Zeit wurde diese Unterscheidung verwässert, und die Posituren, die zuvor nur bei der Meditation helfen sollten, wurden zur Hauptsache – und schliesslich zum globalen Massenphänomen.
Das erste illustrierte Yogabuch entstand allerdings schon auf Initiative eines muslimischen Mogulherrschers um 1600. Überhaupt will Weidner in kosmopolitischem Geist zeigen, wie verwandt die Yogalehre und Neuplatonismus oder islamischer Mystizismus sind, und er streicht auch die Rolle muslimischer Denker bei deren Überlieferung heraus. Vor allem die britischen Kolonialherren waren es, die später den Islam als etwas darzustellen versuchten, das dem «eigentlichen» Indien fremd sei – eine Politik des Teile-und-herrsche, die bis heute nachhallt.
Für eine Lektion, die Yoga bereithält, braucht es also nicht mal eine Matte: Dort, wo das vermeintlich Ureigene und Ursprüngliche beschworen wird, ist immer ein gewisser Argwohn angebracht.
Stewart Home: «Fascist Yoga. Grifters, Occultists, White Supremacists, and the New Order in Wellness». Pluto Press. London 2025. 224 Seiten. (Nur Englisch.)
Stefan Weidner: «Yoga oder Die sanfte Eroberung des Westens durch den Osten». Hanser Verlag. München 2025. 416 Seiten.