Was weiter geschah: Ein Schutzwall und ein Fest

Nr. 21 –

Es war das schönste und aussagekräftigste Bild an diesem Nachmittag vor der Pestalozzi-Bibliothek in Zürich Oerlikon: Mit Glitzerhemd und Boombox, aus der kitschige Popmusik dröhnte, tanzte ein junger Queeraktivist hinter Daniel Stricker her, verfolgte ihn über den ganzen Platz. Gelassen, selbstbewusst, fröhlich.

Stricker wurde während der Pandemie mit seinem «Stricker TV» zum Star rechter Verschwörungserzähler:innen. In Oerlikon marschierte er mit gelber «Presse»-Weste und zwei robocobmässig uniformierten «Bodyguards» auf. Sie trugen Schlagstöcke auf dem Rücken – wirkten aber neben den tanzenden jungen Menschen nicht angsteinflössend, sondern einfach: lächerlich.

Die «Drag Story Time», die während dieser Szene im Inneren der Bibliothek stattfand, war im Vorfeld zum Ziel rechter Hetze geworden. Aus der Ecke der Verschwörungsraunerinnen und Coronaleugner wurde schliesslich eine «Mahnwache» gegen den Anlass angekündigt, an dem Drag Queens und Kings aus Kinderbüchern vorlesen. Doch nach Oerlikon gekommen sind am Samstag nur ein paar versprengte Trychler, Jesusfreaks und Massnahmengegner:innen. Dafür Hunderte Aktivist:innen, die um und vor der Bibliothek für einen Schutzwall und für ein Fest sorgten, mit kreidebemalten Böden, Konfetti, Seifenblasen.

Die Botschaft war klar: Hier sind wir mehr. Zumindest Zürich lässt den Backlash nicht zu. Überdeutlich wurde in Oerlikon auch noch einmal, was die Kämpfer:innen gegen «Genderideologie» und «Woke-Wahnsinn» trotz aller argumentativen Verrenkungen schlicht und einfach angreifen: eine Gesellschaft, in der es Platz für alle hat. Stricker übrigens zog nach kurzer Zeit wieder von dannen. 

Nachtrag zum Artikel «Kulturkampf für die bestehende Ordnung» in WOZ Nr. 20/23.