Im Affekt: Move fast and break things

Nr. 17 –

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Politik lebt von Visionen, und die Zürcher SP-Stadträtin Simone Brander schreckt vor Utopien nicht zurück. Eines Tages stellte sie sich jedenfalls die Frage, die sich wohl schon viele vor ihr gestellt haben, die nach einem Umzug ihren Erbschrank aus Massivholz ins Werdhölzli gefahren haben: Ginge das nicht auch mit dem Velo?

Es gibt bekanntlich keine dummen Fragen, und schon seit letztem Herbst kämpft Brander nun für ihr politisches Vermächtnis, die Abschaffung der Entsorgungscoupons, die es den Stadtzürcher Haushalten erlaubten, 400 Kilogramm Sperrgut pro Jahr gratis in einem Recyclinghof zu entsorgen. Die Coupons würden die erwünschte Kreislaufwirtschaft unterlaufen und das «Verursacherprinzip» verletzen, argumentiert Brander. «Stossend» sei das. Künftig sollen mobile Recyclingstationen in den Quartieren halten, nur mit dem Auto darf man da eben nicht hinfahren. Dafür sind sie gratis, trotz Verursacherprinzip, Widersprüche muss man aushalten.

Vergangenen Herbst entgegnete Brander ihren Kritiker:innen, man könne ja auch künftig noch mit dem Auto im Werdhölzli entsorgen, auf eigene Kosten. Da zahle man für hundert Kilo «so viel wie für eine Pizza Prosciutto e Funghi», rechnete sie vor, wobei der Rat der Pizza den Vorzug gab und ein Postulat überwies, das die Rettung der Coupons forderte. Diesen Frühling versandte Brander die Coupons trotzdem nicht; das Parlament doppelte nach und verabschiedete eine Initiative, die Brander nun wiederum juristisch anficht.

Die Bürgerlichen fürchten die Zunahme der illegalen Entsorgung – «zum Mitnehmen»­–, also schon einer Kreislaufwirtschaft, aber der falschen. «Wenn überall Kühlschränke herumliegen, verliert Zürich seine internationale Ausstrahlung», warnte Stephan Iten (SVP) im Gemeinderat. Das klingt dann wieder verlockend und würde wohl mehr beitragen zum Kampf gegen Aufwertung und Vertreibung – einem tatsächlichen Problem – als die rot-grüne Stadtregierung in den letzten zehn Jahren.

Zuspruch für die Velostadträtin von und bei Gustav Radbruch: «Unrichtiges Recht» dürfe auch mal übergangen werden, so der Rechtsphilosoph.