Im Affekt: Machs gut, Herr Müller!

Wieso nur Tränengas, warum so sanft? Beim nächsten Mal dann aber hoffentlich Napalm! Und neben «Frau Müller» doppelt «Herr Müller» nach und fordert von der Staatsgewalt viel schärferes Geschütz gegen die Jugendbewegung: «Was wir heute brauchen, ist die Armee!» Und überhaupt, diese läppischen Gummipatrönli der Polizei: viel zu klein, viel zu weich.
Sie waren gekommen, um Verwirrung zu stiften, am 15. Juli 1980 im «CH-Magazin» des Schweizer Fernsehens. In der Diskussion zu den Zürcher Unruhen sollten der Aktivist und die Aktivistin die Jugendbewegung repräsentieren. Doch als Herr und Frau Müller überrumpelten sie die etwas steife Runde, indem sie nicht etwa Freiräume forderten, sondern ein noch viel härteres Vorgehen gegen die Bewegung. Tadellos verkleidet als ordnungspolitischer Spiesser mit abgelöschtem Blick hinter grosser Brille: Fredy Meier als Herr Müller. Am Wochenende ist er 67-jährig gestorben.
Es war eine Sternstunde der subversiven Überaffirmation. Wenn ein offener Verstoss gegen die herrschende Ordnung letztlich immer Gefahr läuft, diese Ordnung umso stärker zu festigen, so gingen die Müllers in ihrem denkwürdigen Auftritt gerade umgekehrt vor. Sie stellten die politische Ordnung bloss, indem sie diese spiegelten, statt sie direkt anzugreifen: Machtkritik nicht in der Konfrontation, sondern mittels Mimikry und Überzeichnung.
Sozialvorsteherin Emilie Lieberherr musste den Müllers unbedingt noch sagen, dass sie die Provokation «natürlich ganz genau» durchschaut habe: «Sie haben heute Abend eine wunderbare Schau abgezogen. Sie haben eine sehr dialektische Schau abgezogen.»
Heute, angesichts eskalierender Polizeigewalt in Schweizer Städten, wäre es vielleicht wieder an der Zeit, strategisch zu müllern. Ob das so oder ähnlich noch funktionieren könnte? Das jedenfalls war die smarte Lektion der Müllers: dass man Hardliner manchmal härter vorführt, wenn man ihre Parolen überbietet.
Gerüchteweise ist Andreas Glarner eine einzige Müller-Show – nur leider sehr undialektisch.