Im Affekt: Balthasar rettet die Welt

Nr. 15 –

Die Polizeiuniform stand ihr erstaunlich gut, unlängst in der leider mässig lustigen Comedyserie «Advent, Advent». Den Jutesack trug sie dann wie eine Königin vor der Guillotine, als Partycrasher bei den Swiss Music Awards. Jetzt macht die Slampoetin Lara Stoll wieder selber Musik, im Duo mit Lukas Marty, und ihr Bandname klingt, als habe sich Stefanie Sargnagel mit der Übermutter der Zürcher Autonomen zusammengetan: Stefanie Stauffacher.

Der grosse Held auf dem neuen Album der beiden heisst dann aber Balthasar. Gemeint ist nicht etwa der Tausendfüssler aus dem gleichnamigen Kinderlied von Dieter Wiesmann, sondern der grüne Glättli, der hier in einer dunkel pulsierenden Dada-Discohymne besungen wird: «Save the world, Balthasar», beschwört ihn Lara Stoll dazu in mostreinem Thurgauer Englisch. Allerdings ist der Song schon etwas älter. Uraufgeführt wurde er im Dezember 2017 in der Sendung «Deville», samt aufreizend tanzendem Humpty Dumpty im Glitzerkleid. Nationalrat Glättli war sehr gerührt von der unverhofften Hommage, wie er damals dem «Tages-Anzeiger» gestand: «Normalerweise kriegen nur gefährliche Menschen wie Diktatoren Hymnen.»

Was sagt uns das? Offenbar ist Glättli popmusikalisch nicht ganz sattelfest. Schon 1982 wurde schliesslich SP-Bundesrat Willi Ritschard von den Zürcher Postpunks von Hertz besungen, nach allgemeinem Wissensstand war der nicht gerade als Diktator bekannt. Hertz ratterten damals eilfertig Ritschards Lebensdaten herunter, bei Lara Stoll kippt der Text jetzt neben ein paar alibimässig abgesonderten Kernkompetenzen (AKW, Palmöl, Internet) gerne mal in grünen Nonsens. Was Glättli aber gar nicht gefallen kann, ist das musikalische Vorbild, das für seinen Song Pate stand: Dieser «Balthasar» erinnert nämlich frappant an «Kowalski» von Primal Scream – eine Autoraserhymne, ausgerechnet! Immerhin: Im Vergleich zu Primal Scream haben Stefanie Stauffacher das Tempo auf 30 heruntergestuft. Verkehrsberuhigte Disco fürs Wohnquartier.

Ökologische Flugreise gefällig? Lassen Sie sich von Stefanie Stauffachers Coverversion von «Campari Soda» davontragen.