Im Affekt: Feuer frei mit Sir Ridley Scott

Nr. 47 –

Das Unglück ist die Hebamme des Genies, formulierte einst – natürlich! – Napoleon, der nicht nur der Weltgeist zu Pferde war, sondern auch nie um einen Spruch verlegen. In dieser Disziplin steht ihm Ridley Scott (nach einer vermutlich sehr unglücklichen Kindheit) kaum nach: Wenn Scotts Verfilmung der Vita des französischen Kaisers ähnlich unterhaltsam ist wie das, was der Regisseur anlässlich des Kinostarts zum Besten gibt, dürfte das auch den Zuschlag für Überlänge durchaus wert sein.

Der «Spiegel» etwa wollte vom Briten wissen, warum denn vorerst «nur» eine auf zweieinhalb Stunden gekürzte Version zu sehen sei, worauf dieser den «Hinternschmerz-Faktor» ins Feld führte. Auf die Nachfrage, was denn genau weggefallen sei, erzählte der 85-Jährige von Napoleons Hämorrhoiden, ­«einer typischen Reiterkrankheit» – ein Ausblick, der die Vorbestellungen für den Director’s Cut explodieren lassen dürfte.

Die Kritiker:innen allerdings sind bislang mässig begeistert: In Frankreich störte man sich daran, dass Bonapartes Soldaten im Film «Vive la France!» hörbar mit US-amerikanischem Akzent rufen, und «The New Republic» aus den USA befand, Scotts jüngstes Werk sei zwar unterhaltsam, aber so «unglaublich dumm», dass man sich nicht wundern würde, liefe im Abspann «Waterloo» von Abba.

Vor allem Historiker:innen mäkeln an Sir Ridley herum, was zu erwarten war, nachdem man schon im Trailer bestaunen durfte, wie Napoleon die Pyramiden mit Kanonen beschiessen lässt. Der Regisseur wiederum rechtfertigte sich in der «Times» eher gereizt: «Wenn ich Schwierigkeiten mit Historikern habe, frage ich: ‹Entschuldigung, Kumpel, bist du damals dabei gewesen? Nein? Gut, dann halt dein verdammtes Maul.›» Das wollte man den Faktenhubern aus den Prüfungskommissionen doch auch schon immer mal sagen.

Vom Erhabenen zum Lächerlichen mag es nur ein Schritt sein, schön anzuschauen ist aber beides.