Im Affekt: Der Faschist in der Mitte

Nr. 49 –

Es ist im politischen Diskurs schon fast zum Mantra geworden, auf die «Normalisierung» rechtsextremer Positionen aufmerksam zu machen. Wer das zu abstrakt oder zu einseitig findet, hat in den letzten Tagen prima Anschauungsunterricht bekommen, wie das, was damit gemeint ist, vor sich geht.

In einem Zürcher Café war es zu einem Übergriff gekommen. Die Opfer: SVP-Nationalrat Roger Köppel, Chefredaktor der «Weltwoche», und sein Mitarbeiter Christoph Mörgeli, ebenfalls SVP. Die beiden tagten dort mit der Redaktion, als sie von «wütenden Gästen», die ihnen Milchshakes ins Gesicht schütteten, vertrieben worden seien – so schrieb die Revolutionäre Jugend Zürich, die den Vorfall samt Beweisfoto publik machte.

Darauf Empörung an allen Fronten: «20 Minuten», «Blick» und «10 vor 10» griffen die Story auf, der «Tages-Anzeiger» brachte sie als Titelgeschichte, der Übergriff wurde scharf kritisiert, auch von Parteien von rechts bis links. So etwas gehöre bedingungslos verurteilt, das darf nicht Normalität werden!

Ein paar Tage davor war in der «Weltwoche» ein fünfseitiges Interview von Chefredaktor Köppel erschienen, sein Gesprächspartner zierte auch das Cover: Björn Höcke, juristisch beglaubigter Faschist von der AfD. Tenor des Interviews: Alles halb so wild, Herr Höcke meint es gar nicht böse. Mit seiner völkischen Rhetorik habe er wohl manchmal etwas übers Ziel hinausgeschossen, aber nur aus Sorge um die Heimat.

Die Linksautonomen mit ihren Milchshakes lösen breite Empörung aus, der nette Faschist von nebenan flutscht einfach so durch.

Ein einziger Journalist, Daniel Ryser von der «Republik», hielt es für angebracht, Köppels Interview aufzugreifen. Präzise zeichnet er nach, was dieser in seiner Kumpanei alles ausspart, um Höcke als besorgten Bürger zu verharmlosen. «Es gab keinen Shitstorm», bemerkt Ryser am Ende halb verwundert, das Interview sei sang- und klanglos hinter der Paywall untergegangen. Hinter dieser Paywall erreicht das Mainstreammedium namens «Weltwoche» 167 000 LeserInnen.

Den passenden Protestsong dazu findet man im Netz: «Licht an! Licht an!» von Jan Böhmermann.