#digi: Telegram kooperiert

Nr. 51 –

Ende November trafen sich verschiedene VertreterInnen sozialer Netzwerke in Den Haag mit dem Europäischen Polizeiamt (Europol) zum 16. Referral Action Day. Dabei wurden gezielt BenutzerInnenkonten und Inhalte aus dem Internet entfernt – dieses Jahr mit Fokus auf Terrorpropaganda, die vom Islamischen Staat (IS) in sozialen Netzwerken und öffentlichen Messenger-Kanälen verbreitet wird. Nebst Google, Twitter und Instagram war auch Telegram dabei.

Der vom Russen Pawel Durow gegründete Messenger-Dienst gilt als sichere Möglichkeit für unzensierten, verschlüsselten Austausch in der Bevölkerung unter repressiven Regimes und für die Organisation von Protesten – leider jedoch auch als Plattform für Terrorpropaganda. Lange war Telegram der einzige grosse Player, der nicht mit Polizeibehörden kooperierte. Diese Zeiten sind spätestens seit 2018 vorbei, als Telegram zum ersten Mal am Referral Action Day teilnahm. Man unterstütze die freie Meinungsäusserung und den friedlichen Protest, lässt sich Telegram in einer Medienmitteilung von Europol zitieren. «Aber Terrorismus und Gewaltpropaganda haben auf Telegram keinen Platz.»

Schon länger nutzt der IS sogenannte öffentliche Kanäle auf Telegram, um Videos und BekennerInnenschreiben zu verbreiten. Und auch rechte Netzwerke haben sich die digitalen Tools längst angeeignet. Die von Europol koordinierte Löschaktion sollte den IS von der Plattform verdrängen und damit schwächen. Tausende Accounts und Zehntausende Videos, Bilder und Beiträge wurden gelöscht.

Die Moderation sozialer Netzwerke ist jedoch eine Gratwanderung. Denn der Kampf gegen Fake News und Gewaltverherrlichung funktioniert oft mit den gleichen technischen Mitteln wie die Unterdrückung sozialer Bewegungen und Proteste. Es droht deshalb ein Abgleiten in die Zensur von Protestbewegungen – etwa in Hongkong oder dem Iran, wo Telegram besonders beliebt ist. Hinzu kommt, dass oft nicht klar ist, ob die entfernten Inhalte überhaupt strafbar sind. Statt Gerichte entscheiden zu lassen, handeln die BetreiberInnen der Plattformen eigenmächtig. Müssen wir mit diesem unerfreulichen Widerspruch leben, oder gibt es andere Wege gegen Hass und Gewalt im Netz?