Justiz: Wer darf «Bodum» schreiben?

Nr. 28 –

Die Luzerner Polizei lädt einen Luzerner Aktivisten vor, weil er mit einem Transparent gegen das Markenschutzgesetz verstossen haben soll.

Rote Farbe auf weissem Leintuch hält Polizei auf Trab: Aktivist Eugen Scheuch mit ­Mitstreiterin bei der Übergabe des Bevölkerungsantrags.

Eugen Scheuch staunte nicht schlecht, als er kürzlich eine Vorladung zur Einvernahme bei der Luzerner Kantonspolizei erhielt. Er soll gegen das Markenschutzrecht verstossen haben, findet offenbar Küchenutensilienhersteller Bodum.

Und so war es dazu gekommen: Anfang Jahr hatte Aktivist Scheuch mit der Gruppe Resolut einen sogenannten Bevölkerungsantrag eingereicht, mit dem er den Luzerner Stadtrat dazu aufrief, die Enteignung von zwei leer stehenden Villen zu prüfen. Der damalige Besitzer der Villen: Firmenboss Jörgen Bodum.

Von der Antragsübergabe existiert ein Foto: Hinter Scheuch ist ein Transparent zu sehen. Darauf steht unter anderem: «Bodum enteignen», wobei das Wort Bodum dem Unternehmensschriftzug nachempfunden ist.

Der Stadtrat hat den Bevölkerungsantrag inzwischen abgelehnt. Dies mit dem Hinweis, dass Jörgen Bodum die Villen verkauft habe, wie im April bekannt geworden war. Der Streit wäre damit beigelegt – wenn Scheuch nun nicht wegen Widerhandlung gegen das Markenschutzgesetz angezeigt worden wäre. Wie ein Sprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft bestätigt, wurde die Anzeige von einer der Bodum-Firmen eingereicht. «Man kennt solche Klagen ja sonst von gefälschten Gucci-Taschen», sagt Scheuch, den die Anzeige prinzipiell beunruhigt: «Wenn man mich wegen einem Schriftzug auf einem Transparent verurteilt, würde das einen absurden Präzedenzfall schaffen.»

Verurteilte Journalistin

Das Ringen um die Villen an der Obergrundstrasse dauerte rund fünf Jahre. Jörgen Bodum wollte ursprünglich eine der Villen abreissen lassen und die andere renovieren. Weil diese aber in einer geschützten Zone liegen, kam es zu einem Zerwürfnis mit den Behörden, mit Teilen der Stadtbevölkerung sowie nicht zuletzt mit der BesetzerInnengruppe Gundula, die 2016 eine der Villen besetzte. Bodum wurde vorgeworfen, die Villen absichtlich verlottern zu lassen, in der Hoffnung, sie dann trotz Ortsbildschutz abreissen zu dürfen (siehe WOZ Nr. 19/2017 ).

Nach der Besetzung wurden mehr als zwei Dutzend Personen wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Dass Jörgen Bodum zudem die Journalistin Jana Avanzini anzeigte, die die Villa im Rahmen einer Recherche besucht hatte, brachte ihm den Schmähpreis «Goldener Bremsklotz» des Journalismusnetzwerks investigativ.ch ein. Avanzini wurde im Frühling aber auch in zweiter Instanz verurteilt. Die NGO Reporter ohne Grenzen bedauerte das Urteil, mit dem «ohne Grund die Freiheit der Medienschaffenden» eingeschränkt würde. Es gehe dabei um «eine Grundsatzfrage». Einen Fall mit Signalwirkung hat Bodum in Luzern also bereits geschaffen. Folgt mit der Anzeige gegen Scheuch ein zweiter?

Juristen schütteln den Kopf

Bis anhin gingen Konzerne kaum je mit dem Markenschutz gegen KritikerInnen vor. Und wenn, dann bisher ohne Polizei: Die NGO Public Eye wurde 2007 – damals noch unter ihrem alten Namen Erklärung von Bern – in der sich abzeichnenden Finanzkrise von Ringier abgemahnt. Grund war ein Heft mit dem Titel «Crash», dessen Aufmachung am Ringier-Titel «Cash» angelehnt war. Darüber hinaus erinnert sich Public-Eye-Sprecher Oliver Classen an keine markenrechtlichen Auseinandersetzungen, obwohl die NGO immer wieder Logos von Konzernen verwendet. Zum Beispiel listet der Onlinepranger «Hall of Shame» von Public Eye 25 Konzerne samt Firmensignet auf. Auch beim US-amerikanischen Projekt Anti-SLAPP, das KritikerInnen gegen Firmenklagen in Schutz nimmt, kennt man spontan keinen entsprechenden Fall.

Marianne Aeberhard, ehemalige Geschäftsführerin der NGO Multiwatch, erklärt sich die häufig ausbleibenden Klagen so: «Klagedrohungen nahm ich eher als ein Zeichen von mangelnder Erfahrung im Umgang mit Kritik wahr.» Wenn ein Konzern mit einer Klage drohe, wecke das das Interesse der Medien. «Der Schuss kann nach hinten losgehen.» Als Glencore der NGO mit einer Klage drohte, falls sie ein Buch zum Rohstoffkonzern mit «Drecksgeschäfte» betitele, berichteten Medien von «20 Minuten» bis NZZ darüber.

Ob gegen Scheuch ein Verfahren eröffnet wird, ist noch offen. Nach der Befragung und dem Bericht der Polizei werde die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen befinden, so deren Sprecher. Jörgen Bodum und die Bodum AG waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Sämtliche Anrufversuche waren erfolglos, Mails blieben unbeantwortet. Auch Anwalt Reto Marbacher, der Bodum im Frühling gegen die Journalistin Jana Avanzini vertrat, wollte die Fragen der WOZ nicht beantworten.

Unabhängige Juristen räumen der Anzeige wegen des Transparents wenig Chancen ein. «Als Meinungsäusserung muss dieses erlaubt sein», sagt Grundrechtsanwalt Viktor Györffy. Die dem Bodum-Logo nachempfundene Schrift trage dazu bei, den Bezug zu verdeutlichen. Medienanwalt Martin Steiger findet, das Vorgehen deute auf einen «klassischen markenrechtlichen Irrtum hin». Der Markenschutz gelte nur, wenn dieser «als Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr» verwendet werde. Und auch Cyrill Rigamonti, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, sagt: «Wenn es einzig um die Verwendung der Marke Bodum auf dem Transparent geht, liegt aus meiner Sicht keine Markenverletzung vor.»