Konzernverantwortung: Wie ist Glencore zu stoppen?
Trotz Protesten an der Generalversammlung und einem internationalen Aktionstag: Der Rohstoffkonzern Glencore macht einfach weiter wie bisher.

«Sie sind Kriminelle. Sie verschmutzen Flüsse und Land, nur um Profit zu machen!» Die Generalversammlung des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore neigt sich langsam dem Ende zu, als ein junger Mann auf die Bühne steigt und sich hinter den aufgereihten Verwaltungsräten und Geschäftsleitungsmitgliedern über das Geschäftsgebaren von Glencore empört. Schnell sind Sicherheitsleute da, die ihn umringen und aus dem Saal führen. Glencore-Verwaltungsratspräsident Kalidas Madhavpeddi sagt: «Sorry für die Störung.»
Solche Szenen sind an den Generalversammlungen von Glencore im Casino Zug zum Ritual geworden. Vor dem Eingang demonstrieren jeweils Dutzende gegen Glencores fragwürdige Geschäfte in verschiedenen Regionen der Welt, an der Versammlung selber wird von Gewerkschafter:innen, Menschenrechts- und Umweltaktivist:innen eine kritische Frage nach der anderen gestellt.
«Hilfreiche Inputs»
Am Mittwoch letzter Woche ist der Protest etwas grösser, ein internationales Netzwerk gegen Glencore hatte zum Aktionstag aufgerufen. Dieses fordert etwa ein Ende des klimaschädlichen Kohlegeschäfts, das Respektieren nationaler Umweltgesetze und Gerichtsentscheide sowie Reparationszahlungen und öffentliche Anhörungen in Gemeinden, in denen Glencore Minen stilllegt. Gegen Glencore demonstriert wird an diesem Tag etwa auch in Johannesburg, Bogotá, Buenos Aires, London und Amsterdam sowie vor Glencores peruanischer Kupfermine San Marcos auf 4100 Metern über Meer. Bei vielen Kundgebungen sind auch palästinensische Fahnen zu sehen: Glencore wird aufgefordert, wegen des Gazakriegs die Kohlelieferungen an Israel einzustellen.
Ebert García ist extra für die Generalversammlung von Kolumbien nach Zug gereist. Der Vorsitzende der Kleinbauernvereinigung im nordöstlichen Departement Cesar will vom Schweizer Konzern eine Antwort. Im Zuge militärischer Konflikte in seiner Region wurden viele Bäuer:innen vertrieben und mussten ihr Land aufgeben, das dann teilweise Kohleproduzenten wie Glencore übernahmen. Nach dreissig Jahren hat sich Glencore nun mit seinem Tochterunternehmen Prodeco aus Cesar zurückgezogen. García befürchtet, dass sich der Konzern damit aus seiner Verantwortung stiehlt.
Begleitet wird García von Stephan Suhner, Vorstandsmitglied der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ASK). Auf der Generalversammlung ergreift Suhner das Wort. Bezüglich der Schliessung der Kohlemine von Prodeco in Kolumbien sei die Situation schlechter als je zuvor. Die Anwohner:innen würden nicht richtig informiert, wie es weitergehe. Er fordert von Glencore, mehr zu tun, um die Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit aufzuklären. Auch müsse der Konzern weiterhin Verantwortung für die Auswirkungen des Bergbaus tragen.
Von Verwaltungsratspräsident Madhavpeddi bekommt Suhner zu hören, seine Inputs seien immer sehr hilfreich. CEO Gary Nagle entgegnet Suhner, dass der Konzern immer viel Steuern und Lizenzgebühren bezahlt habe. Dank Glencore sei für die Gemeinden vor Ort viel Wert geschaffen worden. «Ein Werk zu schliessen, ist immer traurig. Aber wir sind in dieser Zeit nach wie vor verantwortlich, und wir wollen konstruktiv weiterarbeiten.»
Stephan Suhner hat immer wieder an den GVs teilgenommen. Doch diesen Monat löst sich die ASK auf. Es gebe zu wenige Mitglieder, die bereit seien, sich ehrenamtlich zu engagieren, sagt er. Er selber habe Gary Nagle seit 2008 mehrmals getroffen und mit ihm über die Probleme seiner Firma in Kolumbien geredet. «Wir konnten Schlimmeres verhindern, aber eine fundamentale Veränderung hat nicht stattgefunden. Es gibt heute einfach viele schöne Berichte.»
Nerven, klagen, überzeugen
Glencore steht schon lange am Pranger. 2008 wurde dem Konzern an der offiziellen Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos der Public Eye Award verliehen, als Negativpreis für seine undurchsichtigen Geschäftspraktiken und die miesen Arbeitsbedingungen in den kolumbianischen Kohleminen. Seither kommt Glencore nicht mehr aus den Schlagzeilen. Dafür ist nicht zuletzt die NGO Public Eye verantwortlich, die sich schwerpunktmässig mit der Schweizer Rohstoffbranche auseinandersetzt und gerade mit ihren Glencore-Recherchen immer wieder für Aufsehen sorgte. «Die Konzernverantwortungsinitiative hiess im Volksmund nicht umsonst Lex Glencore», sagt Public-Eye-Sprecher Oliver Classen. «Am messbarsten ist der Erfolg unserer Arbeit jedoch auf juristischer Ebene.» So wurde Glencore etwa vergangenen August wegen korrupter Minengeschäfte in der Demokratischen Republik Kongo per Strafbefehl zu Zahlungen in der Gesamthöhe von 152 Millionen US-Dollar verurteilt. Dieser Schuldspruch geht auf eine Strafanzeige von Public Eye aus dem Jahr 2017 zurück. Classen schätzt, dass Glencore in den letzten Jahren global um die zwei Milliarden Dollar an Bussen zahlen musste.
Auch Yvonne Zimmermann beschäftigt sich schon lange mit dem Rohstoffkonzern. Sie arbeitet bei der Solidaritätsorganisation Solifonds, die Gewerkschaften und soziale Organisationen im Globalen Süden bei ihren Kämpfen unterstützt. «Es ist schwierig, Glencore beizukommen», sagt sie. Doch klar sei, man müsse die Kämpfe vor Ort stärken. «Auch wenn die kürzlich erfolgreich eingereichte Konzernverantwortungsinitiative im zweiten Anlauf an der Urne durchkommen sollte, ist es wichtig, dass Menschen in den betroffenen Ländern organisiert sind und bereit sind zu klagen.» Als weiteren Ansatz sieht sie, grosse Aktionäre wie etwa die Pensionskassen dazu zu bewegen, Glencore unter Druck zu setzen. «Die Versicherten müssen fordern, dass sie ihre Aktien verkaufen.»
Zimmermann ist auch im Vorstand von Multiwatch aktiv, einer kleinen NGO, die Schweizer Konzerne beobachtet und zu Glencores Aktivitäten in Lateinamerika 2017 einen «Schattenbericht» mitveröffentlichte. Sie beklagt, dass Glencore bei Schliessungen wie bei der Prodeco-Mine in Kolumbien keinen Übergangsplan habe und einfach die Gegend verlasse. «Sie haben sich nie darum gekümmert, wie es nachher mit den Leuten und der Region weitergeht.»
Camille Delgrange ist Sprecherin des Aktionsbündnisses, das diesmal die Demonstration in Zug organisiert hat. Auch sie sagt: «Es reicht nicht, Glencore anzuprangern.» Sie müssten sich überlegen, wie Versicherungen und Banken dazu bewegt werden könnten, ihre Geschäfte mit Glencore einzustellen.
Dennoch wertet Delgrange den Aktionstag als Erfolg. «Mehr Menschen weltweit konnten über das Geschäftsgebaren von Glencore informiert werden», sagt sie. Besonders hilfreich sei auch die Aktion des jungen Mannes an der GV selbst gewesen, dem es gelungen war, seine Aktion auch noch zu filmen. «Das Video hat viel Aufmerksamkeit gebracht», sagt Delgrange. Ausserdem sei es eine klare Botschaft an die Verwaltungsräte: «Sie sollen wissen, dass wir sie nicht in Ruhe lassen werden.»