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Der europäische Superflieger Airbus A380 setzt auf Massentourismus - und Massenbestellungen.

Bei der Präsentation des neuen Airbus-Jumbos A380 am 18. Januar habe es sich um ein «Hochamt der europäischen Industrie» gehandelt, schrieb die «Financial Times Deutschland». Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder meinte: «Europa hat zu den Sternen gegriffen.» Ähnlich euphorisch äusserten sich der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der spanische Regierungschef José Luis Zapatero. Da der britische Luftfahrt- und Rüstungskonzern BAe, ähnlich wie DaimlerChrysler und Casa (Spanien), am A380-Hersteller Airbus beteiligt ist, stimmte auch der britische Regierungschef Tony Blair in den Jubel des «alten Europa» ein. Im Grunde fehlten bei der öffentlichen Vorführung in Toulouse nur der Papst und dessen Urbi-et-orbi-Segen.

Kritische Stimmen zum A380 sind in diesen Tagen kaum zu vernehmen. Dabei gibt es viele Einwände. Da ist zunächst die technische Seite: Mindestens 550 Personen sollen im A380 Platz finden - rund 100 mehr als im Boeing-Jumbo 747-400. Es gab zwar erste Feiern mit viel Prominenz, aber noch keinen einzigen Jungfernflug des A380. Die Zeit von der Erprobung in der Luft (ab März 2005) bis zum ersten regulären Einsatz bei ersten Fluggesellschaften soll nur ein Jahr betragen. Singapure Airlines erhielten von Airbus vertraglich zugesichert, bereits Anfang 2006 mit dem A380-Verkehr starten zu können.

Enormes Zerstörungspotenzial

Dass die Risiken beträchtlich sind, zeigt ein Blick auf die Versicherungsgesellschaften: Diese haben wegen des A380 die maximale Höhe, bis zu der ein ziviler Jet versichert ist, von 2,5 Milliarden Euro auf 3 Milliarden angehoben. Dabei spielten weniger die potenziell gefährdeten Menschenleben eine Rolle als die Tatsache, dass 310 000 Liter Kerosin in den A380-Tanks im Fall eines Absturzes oder im Fall einer Entführung ein enormes Zerstörungspotenzial entfalten würden.

Des Weiteren gibt es den betriebswirtschaftlichen Aspekt: Airbus braucht mindestens 250 verkaufte Einheiten, um die eigenen Investitionskosten wieder einzuspielen. Derzeit liegen offiziell 149 Bestellungen vor. Der mit Abstand grösste Besteller sind (mit 43 Einheiten) die Emirates Airlines, gefolgt von der Lufthansa (15). Allein Emirates, Lufthansa und Air France vereinen knapp die Hälfte aller Bestellungen auf sich. Grosse Airlines aus Nordamerika fehlen völlig. Ausser Air France, Lufthansa und der britischen Virgin haben auch keine anderen europäischen Airlines A380-Jets bestellt. Virgin selbst will achtzehn Monate später als geplant mit dem A380-Verkehr beginnen - um die «Kinderkrankheiten des Flugzeuges» nicht ausbaden zu müssen.

Fehleinschätzung?

Vor allem aber zielt der A380 auf ein extrem hohes Wachstum des Luftverkehrs und darüber hinaus auf eine sehr spezifische Art dieses Wachstums ab.

Bei Airbus geht man erstens davon aus, dass sich der Flugverkehr bis 2020 nochmals mehr als verdoppelt. Zweitens muss dabei vor allem das Segment der transkontinentalen Flüge (Europa- Nordamerika, Europa-Asien und Nordamerika-Asien) überproportional ansteigen, und drittens muss Airbus im Rahmen eines solchen Szenarios gut die Hälfte des Potenzials an solchen Grossraumflugzeugen auf sich ziehen. Das heisst, Airbus will das US-amerikanische Unternehmen Boeing, das auf diesem Gebiet mit dem Jumbo B-747 eine Monopolstellung innehat, von hundert auf fünfzig Prozent Marktanteil drücken.

In der Luftverkehrsbranche gibt es erhebliche Bedenken, ob diese Rechnung aufgeht. Airbus geht davon aus, dass es bis 2025 einen Markt für 1163 Megaliner vom Typ Airbus oder B-747 gibt. Boeing hat jedoch zwischen 1969, als der Jumbo 747 erstmals abhob, und Ende 2004 «nur» 1500 Jumbos verkauft. Weltweit sind derzeit rund tausend Jumbos im Einsatz. Airbus will also in diesem Segment eine Verdopplung der Kapazitäten durchsetzen. Bereits 2001 bis 2003 aber kam es in diesem Markt erstmals zu Einbrüchen - wegen des Terrorakts vom 11. September 2001, wegen Sars, Rezessionstendenzen und ansteigender Kraftstoffpreise. Boeing selbst geht für den Zeitraum 2006 bis 2025 nur von einem Markt für weitere 320 Einheiten für Megaliner aus. Einige Experten argumentieren, dass das tatsächliche Wachstum im Flugverkehr nicht im transkontinentalen Segment, sondern im Mittelstrecken- und Regionalverkehr - und damit bei Flugzeugen mit 200 bis 300 Sitzplätzen - liegen würde. Darauf zielt auch das neue Boeing-Konkurrenzmodell Dreamliner 7E7 für 200 bis 300 PassagierInnen.

Doch gerade dann, wenn der A380 ein Erfolg wird, beginnt sein umweltpolitischer und verkehrspolitischer Misserfolg. Er verstärkt auf mehrfache Weise das Wachstum desjenigen Verkehrsträgers, der am stärksten zur Klimaerwärmung beiträgt: Um des A380-Erfolges willen muss sich der Luftverkehr in den nächsten fünfzehn Jahren mindestens nochmals verdoppeln. Die Einsparungen im Spritverbrauch, die Airbus für den A380 verspricht, werden bei weitem übertroffen von diesen quantitativen Steigerungen. Die Belastungen von Umwelt, Menschen und Klima werden damit massiv ansteigen. Sodann bringt die Konzentration auf wenige Flüge mit vielen Fluggästen den Zwang zur Multiplizierung der Zubringerflüge, des Binnenflugverkehrs und des innereuropäischen Flugverkehrs mit sich. In Deutschland werden nur die Airports Frankfurt und München für den A380 ausgebaut. Schliesslich zwingt ein Superjumbo vor allem zum Wachstum auf den großen Langstreckenverbindungen, also zu massenhaften Angeboten «Karibik statt Mallorca».

Zwölf Milliarden Euro an Entwicklungskosten, zu einem erheblichem Teil direkte Subventionen, verschlang das Grossraumflugzeug. Im Jahr 2000 fiel parallel zur Entscheidung, den A380 zu bauen, der Beschluss, beim europäischen Luft- und Raumfahrtskonzern Airbus/EADS den militärischen Grossraum-Militärtransporter A400M zu fertigen. In das A400M-Projekt fliessen fünf Milliarden Euro staatliche Hilfen für die Entwicklung. Insgesamt sollen aus den europäischen Militärhaushalten in das A400M-Projekt - und damit in Airbus/EADS - Gelder in Höhe von 25 Milliarden Euro fliessen. Beide Projekte laufen bei Airbus/EADS zeitlich weit gehend parallel. Experten gehen davon aus, dass der A380 nie hätte gebaut werden können ohne die damit verbundene kontinuierliche Quersubventionierung.

Zürcher Flughafen bereit

Die Airlines, die den A380 ordern, müssen zusätzlich zum reinen Kaufpreis von 280 Millionen je Megaliner noch erheblich in die eigene Infrastruktur (Logistik, Hallen, Wartung) investieren. Die Lufthansa beispielsweise will 4,2 Milliarden Euro für den Kauf der bestellten A380-Einheiten und weitere 500 Millionen Euro für den Ausbau der eigenen Infrastruktur ausgeben. Weltweit werden die wenigen grossen Airports, die sich für den A380 rüsten, mehr als ein Dutzend Milliarden Euro in die Verbreiterung der Start-und-Lande-Bahnen, in neue Hallen und in neue Logistik investieren. Der Zürcher Airport Unique ist seit der Beendung der fünften und letzten Bauetappe bereit für Flugzeuge der Superlative. «Wir können am neuen Dock E gleichzeitig zwei solche Grossraumflugzeuge abfertigen», sagt Andreas Siegenthaler, Unique-Sprecher.

Darüber hinaus begünstigt die bestehende Marktordnung den Flugverkehr. So unterliegen Kerosin und Flugbenzin nicht der Mineralölsteuerpflicht. Rechtzeitig zur Präsentation des A380 wurde bekannt gegeben, dass in der EU «frühestens 2008» eine Kerosinbesteuerung vorstellbar sei. Damit wird der Vorteil, den der Flugverkehr gegenüber der Schiene hat, verlängert. Das Segment der Billigflieger wird verstärkt.

1000 Fluggäste

Dazu könnte im Übrigen gerade auch der A380 beitragen. Die vielen hübschen Bilder, bei denen es im A380 Bars, Fitnessräume und Doppelbetten geben soll, täuschen. Angesichts des harten Konkurrenzkampfes unter den Fluggesellschaften wird am Ende die Sitzplatzzahl je Flugzeug entscheidend sein. Es gibt bereits Pläne, den Airbus-Jumbo eng zu bestuhlen, um in einer späteren Version mit bis zu tausend Fluggästen je Megaliner Ferntrips zum Billigtarif anzubieten. Für hundert Franken zum Shoppen nach New York - wer würde da nein sagen?

Der Megaliner A380 wird, wenn er Erfolg hat, Weltreisen per Flugzeug endgültig zur Massenware machen - und damit den Trend zur Klimaerwärmung erheblich verstärken. Schliesslich sind der grösste Teil der dem Flugverkehr zuzurechnenden Folgekosten externe Kosten. Klimaschädigende Gase, der Flächenverbrauch, die Lärmschäden, die Gesundheitskosten und vergifteten Flächen gehen nicht in die Ticketpreise ein, sondern werden auf die Gesellschaft und spätere Generationen abgewälzt.

Erst auf dieser Basis rechnet sich das Grossraumflugzeug. Nun allerdings gut: Im Verkaufspreis von 280 Millionen Euro je A380 sind 35 Millionen Euro Gewinn eingerechnet. 12,5 Prozent Gewinn beim Umsatz und mehr als 20 Prozent Gewinn auf das eigene eingesetzte Kapital wird bei Airbus als angemessener Profit angesehen.

Wer gewinnt?

Airbus/EADS lag in den vergangenen zwei Jahren erstmals bei den Bestellungen für zivile Flugzeuge deutlich vor dem bisherigen Weltmarktführer Boeing. Der erbitterte Kampf innerhalb des «Duopoly», der Kontrolle des Weltmarkts für grosse Flugzeuge (ab hundert Sitzplätzen) durch nur zwei Konzerne, soll sich in Zukunft weiter verschärfen. Den EADS-Bossen quillt dabei die Grossmannsucht aus den Mündern beziehungsweise in die Pressemitteilungen. «Wir werden in den nächsten acht, vielleicht auch zehn Jahren die Nase vorn haben», tönte Rainer Hertrich, bis vor kurzem Kovorstandschef bei EADS. Das neue Boeing-Konkurrenzmodell 7E7 «sieht aus wie eine chinesische Kopie», äusserte der neue EADS-Chef Noel Forgeard. Und Airbus-Verkaufschef John Leahy tat kund, er erwarte, dass Boeing die Herstellung des Jumbo 747-400 «bis Ende 2006 einstellen» werde und der A380 dann eine Monopolstellung innehätte. Harry Stonecipher, Chef von Boeing, sagte dazu: «Eines der grössten Risiken für das Airbus-Geschäft ist das sehr arrogante Auftreten der Airbus-Verantwortlichen.» Der deutsche Kanzler Schröder hingegen spricht davon, dass der A380 ein «Erfolg der Traditionen des guten alten Europa» sei. Nach 35 Jahren Airbus-Geschichte habe man gezeigt, dass man nun «zumindest in der Luftfahrt» Weltspitze sei. Das soll heissen, man werde auch auf dem Gebiet der Rüstung noch zu den USA aufschliessen. Darauf orientiert EADS auch offen: Bis 2015 soll Boeing nicht nur im Bereich des zivilen Flugzeugbaus, sondern auch beim Rüstungsumsatz überholt werden.