Verkehrs- und Klimapolitik: Geld für Flüge statt Züge
Die jüngsten Sparübungen des Bundes treffen auch die Nachtzüge. Das soll aber nicht dem Bund mehr Geld bringen – sondern den Fluggesellschaften.

Es müssten alle den Gürtel enger schnallen, hört man seit Monaten von Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Der Bund habe zu wenig Geld. Ende Januar schickte der Bundesrat ein Paket mit 59 Sparmassnahmen für die Jahre 2027 und 2028 in die Vernehmlassung, inklusive dafür notwendiger Gesetzesanpassungen.
Auch die Subventionen für Nachtzüge stehen auf der Liste. Das seit 1. Januar geltende revidierte CO₂-Gesetz sieht dafür eigentlich bis zu 30 Millionen Franken pro Jahr vor. Der Bundesrat jedoch möchte diese Gelder ab 2027 gleich ganz streichen. In vorauseilendem Gehorsam hat das Parlament sie bereits für dieses Jahr auf 10 Millionen gekürzt. Dabei beschloss es diese Fördergelder erst im Frühjahr 2024 bei der Ausarbeitung der Gesetzesrevision. Noch absurder: Der eingesparte Betrag wird nicht dem Bund zugutekommen – sondern der Hauptkonkurrenz der Nachtzüge: den Airlines.
Um das zu verstehen, muss man schauen, woher das Geld für die Subventionierung der Nachtzüge kommen soll: Die Fluggesellschaften rechnen ihren CO₂-Ausstoss für innereuropäische Flüge im Emissionshandelssystem (EHS) ab. Für jede ausgestossene Tonne Treibhausgas müssen sie dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) ein Emissionsrecht vorweisen. Dabei geht es nicht darum, das CO₂ andernorts wieder einzusparen. Die Emissionsrechte im EHS sind keine Kompensationszertifikate, sondern nur eine Art Berechtigung dafür, CO2 auszustossen. Ziel ist es, einen Markt zu schaffen – für das Recht, die Atmosphäre mit Treibhausgasen zu belasten.
Emittieren zum halben Preis
In den vergangenen Jahren mussten die Fluggesellschaften nur für einen Teil ihrer Emissionen solche Rechte kaufen – die restlichen erhielten sie gratis. Das wird sich 2026 ändern: Ab dann müssen sie alle benötigten Emissionsrechte kaufen. Da diese an einer Börse gehandelt werden, schwankt der Preis für die Berechtigung, eine Tonne CO₂ auszustossen, von Tag zu Tag. Derzeit liegt er bei rund 65 Franken. Heisst also: Auch wenn die Airlines ab 2026 alle Emissionsrechte kaufen müssen, wird für sie die Tonne CO₂ etwa halb so teuer sein wie die sonst gültige CO₂-Abgabe von 120 Franken pro Tonne, die etwa auf Emissionen aus Ölheizungen bezahlt werden muss.
Trotzdem wird durch den Verkauf solcher Rechte ein hoher Betrag zusammenkommen: Für 2025 rechnet das Bafu mit rund 44 Millionen Franken – und mit rund 70 Millionen für die Jahre danach. Wie hoch die Einnahmen tatsächlich sein werden, ist schwer zu prognostizieren, weil sie von mehreren Faktoren abhängen. Etwa davon, wie viel geflogen wird, aber auch vom Preis, den die Fluggesellschaften pro Emissionsrecht bezahlen müssen.
Bis Ende 2024 floss das Geld aus dem Emissionshandel der Airlines in den allgemeinen Bundeshaushalt. Mit dem revidierten CO₂-Gesetz wird es neu für zweierlei eingesetzt: für die «Förderung des grenzüberschreitenden Personenfernverkehrs auf der Schiene», vor allem für die Nachtzüge; und für die «Verminderung von Treibhausgasemissionen im Luftverkehr, insbesondere für die Entwicklung und Herstellung von erneuerbaren synthetischen Flugtreibstoffen». Die Idee dahinter: Sowohl der Ausbau des Nachtzugnetzes wie auch der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe leistet einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Reiseverkehrs.
Absurde Umverteilung
Doch es gibt ein Problem: Laut dem revidierten CO₂-Gesetz müssen die Fluggesellschaften dem fossilen Kerosin eine gewisse Menge nachhaltigen Treibstoff beimischen. 2025 müssen das zwei Prozent, 2030 sollen es sechs Prozent Treibstoffe aus erneuerbaren Quellen sein. Die Quote soll wie in der EU über die Jahre ansteigen – mit dem Ziel, 2050 bei siebzig Prozent angelangt zu sein. Ob man dafür genug nachhaltige Flugtreibstoffe haben wird, ist aber alles andere als klar. So bezweifelte eine Sprecherin der Lufthansa gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass diese Quoten erreicht werden können. Der Bund will die Produktion erneuerbarer Flugtreibstoffe jedoch langfristig und bislang ohne Sparandrohungen vorantreiben.
Sollte das Sparpaket so durchkommen, wie es vorliegt, flössen die Einnahmen aus dem EHS ab 2027 je zur Hälfte an den Bund und an die Airlines – während die Nachtzüge leer ausgingen, bliebe der Betrag für die Fluggesellschaften in etwa gleich hoch. Allerdings muss das Parlament dazu zuerst den Gesetzesänderungen im Rahmen des Sparpakets zustimmen. Zudem haben die Grünen angedeutet, möglicherweise ein Referendum zu ergreifen. Ob 2027 und 2028 die Subventionen für Nachtzugverbindungen gestrichen werden, ist also noch nicht entschieden.
So oder so, das CO₂-Gesetz schreibt zur Verteilung der EHS-Gelder vor: Höchstens 30 von den dieses Jahr erwarteten 44 Millionen Franken aus dem EHS für Nachtzüge – und der Rest für nachhaltige Treibstoffe. Wegen des Wörtchens «höchstens» darf das Parlament zwar die 30 auf 10 Millionen Franken kürzen. Nur: Der Bund spart damit keinen einzigen Rappen – alles, was nicht zu den Nachtzügen fliesst, geht an die Fluggesellschaften. Der Entscheid, die Nachtzugsubventionen für 2025 derart zu kürzen, hat also – wie auch das Bafu bestätigt – lediglich die Beiträge für den Flugverkehr erhöht.