Standpunkt: Bleiberecht durch Einbürgerungen
Balthasar Glättli über simple Gründe für ein Nein zur SVP-Initiative.
Die Debatte um die Einbürgerungsinitiative der SVP wird von uns GegnerInnen auf einer sehr juristischen Ebene geführt. Komplizierte Argumentationen sollen dem Schlagwort «demokratische Einbürgerungen» die Attraktivität nehmen. Bei dieser Abstimmung geht es aber nicht «nur» um den Kampf gegen die Aushöhlung von grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats.
Es gäbe für die Linke ganz simple, taktische Gründe, sich engagiert für ein Nein zur SVP-Initiative einzusetzen. Würde die Initiative nämlich angenommen, erwarteten uns Dutzende kommunaler Abstimmungskämpfe über die Einführung der Einbürgerung an der Urne. Leider kann man schon heute voraussagen, dass dies der SVP ermöglichen würde, über Jahre hinaus mit freundlicher Begleitung der Medien auf der Klaviatur der Fremdenfeindlichkeit zu spielen.
Selektiv und mit hohen Hürden
Aus pragmatischer Sicht und für die Betroffenen selbst viel wesentlicher ist allerdings ein weiterer Punkt: Bei der momentanen Ausgestaltung des Ausländerrechts stellt heute die Einbürgerung fast die einzige Möglichkeit dar, dass auch Menschen ohne EU-Pass auf einem einigermassen rechtsgleichen Weg in der Schweiz Aufenthaltssicherheit erhalten können. Eine wohl unbeabsichtigte Lücke in der inkohärenten Schweizer Migrationspolitik.
Wer international die Migrationspolitik verschiedener Staaten studiert, kann zwei typische Grundansätze ausmachen. Traditionelle Einwanderungsländer wie die USA und Kanada verfolgen eine Politik der selektiven Zuwanderung - und setzen dafür bei den einmal Aufgenommenen auf rasche Integration und Mitbestimmung. Sie erteilen auch allen im Lande geborenen Kindern automatisch das Bürgerrecht. Andere Staaten wählen das umgekehrte Modell. Sie setzen niedrige Hürden für ImmigrantInnen und gewähren dafür äusserst zurückhaltend das Recht auf Mitsprache oder gar das Bürgerrecht.
Die Schweiz hat mit dem neuen Ausländerrecht zumindest für Menschen ohne EU-Pass eine Mischung aus beiden Modellen im Gesetz verankert. Immigration aus Drittländern ist nur höchst selektiv möglich - die Möglichkeit, das Schweizer Bürgerrecht zu erlangen, bleibt aber weiterhin mit hohen Hürden wie der zwölfjährigen Wohnsitzfrist versehen.
Kantonale und kommunale Willkür
Diese Hürden sind einigen aber noch nicht hoch genug. SVP und SD lehnten im Gemeinderat der Stadt Zürich regelmässig Einbürgerungen mit der einzigen Begründung ab, dass kein C-Ausweis (Niederlassungsbewilligung) vorliege - auch wenn dies nirgends in den Bestimmungen verlangt wird. Die Willkür der kantonalen Fremdenpolizei - bei der Behandlung von Härtefallgesuchen, bei der Umwandlung von F- in B-Ausweise, bei der Verlängerung der B-Bewilligung und bei der Gewährung des C-Ausweises - soll also ergänzt werden durch kommunale Willkür bei der Einbürgerung. Was im Parlament noch scheiterte, soll endlich an der Urne klappen: Hier würde die gesuchte Begründung für die Einbürgerungsverweigerung nämlich obsolet.
Es ist durchaus diskutabel, ob die Einbürgerung das beste Instrument ist, jahrzehntelang hier anwesenden Menschen endlich Aufenthaltssicherheit zu gewähren. Tatsache ist, dass sie heute faktisch die einzige Möglichkeit darstellt, den Status des Dauerprovisoriums zu verlassen und endlich auch rechtlich in der Schweiz anzukommen. Solange der neu aufgenommene Kampf für ein garantiertes Bleiberecht für alle, die seit Jahren hier leben, noch keinen realpolitischen Erfolg vorzuweisen hat, ist es darum wesentlich, dass die bereits hohen Einbürgerungsvoraussetzungen nicht auch noch vollkommen willkürlich ausgelegt werden dürfen.
Balthasar Glättli ist politischer Sekretär der migrationspolitischen Organisation Solidarité sans frontières und Gemeinderat der Grünen Stadt Zürich.