100 Wörter: Rohe Cervelats am Waldrand

Nr. 32 –


Im Wald sehen die meisten Menschen ziemlich klein aus. Das liegt vor allem am Grün der Bäume und am Blau des Himmels. Diese Farbkombination verursacht eine optische Täuschung, die Spaziergänger höchstens zehn Zentimeter gross erscheinen lässt. Deshalb kleiden sie sich gerne in schreiende Farben, weil sie fürchten, es komme auf einmal ein grosser Fuss und vertrampe sie. Kaum erreichen sie den Waldesrand, merken sie, dass sie wieder einmal einer Illusion aufgesessen sind, und erleichtert packen sie die Würste aus. Trotzdem wagt sich niemand zurück in den Wald. So fehlt das Holz für das Feuer, und darum isst man Cervelats roh.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt hundert Wörtern bestehen.