Leben und Arbeiten auf der Alp: Warum Chüeplangg den Geissen gehört

Nr. 45 –

Nächste Woche erscheint der Bildband «Hirtenstock und Käsebrecher» – dreizehn Porträts von Schweizer Alpen und den Menschen, die auf ihnen tätig sind. Zum Beispiel Felix Bissig im Erstfeldertal, Kanton Uri. Ein Vorabdruck.


Wer die Schlucht hinaufsteigt, glaubt kaum, dass da oben noch jemand wohnt. Die Felsen sind bräunlich, voller Flechten und Moos. Darunter tost der Wildbach, der Stäuben. Lawinen und Schmelzwasser haben tiefe Runsen hinterlassen. Üppiges Gestrüpp klammert sich an die Hänge: Vogelbeer, Weiden, Ahorn, Tannen, Erlen, Alpenrosen, Heidelbeeren, Himbeeren, Birken und Farn. Manchmal bimmeln Schellen irgendwo. Aber niemand ist zu sehen.

Nur ein dünnes Stahlseil weist den Weg nach oben. Fast zerbrechlich wirkt die kleine, erst wenige Wochen alte Transportseilbahn. Felix Bissig freut sich über sie. Bisher hat er den Geisskäse auf dem Rücken zum Parkplatz hinuntergetragen. Immer am Freitag, jeden Sommer fast zwei Tonnen. Der Weg durch die Schlucht ist nass und rutschig, für ein schwer bepacktes Maultier zu gefährlich.

Oberhalb der Schlucht stehen, verstreut zwischen Felsblöcken, ein paar Hütten: Schattig Boden, Alp Chüeplangg, zuhinterst im Erstfelder Tal.

Der neunzehnte Alpsommer

Hier verbringt Felix den Sommer, zusammen mit seiner Mitarbeiterin Nancy Kohl, 140 Ziegen, zwei Wollschweinen, einem weissen und einem grauen Esel, Hühnern und zwei Border-Collie-Mischlingen. Irgendwo im Talkessel treiben sich auch noch vier imposante Yaks herum.

Felix steht in der Käserei und reibt die frischen Mutschli mit Salzwasser ein. In der Fensternische wacht eine russgeschwärzte Muttergottes. Die Käserei ist einfach eingerichtet, doch sie genügt Felix. Zufrieden sieht er aus. Über dem rotbraunen Bart ist sein Gesicht voll Lachfalten. Ein zusammengerolltes Geschirrtuch hält seine fast schulterlangen Haare zusammen. «Es geht mir gut hier», sagt er. «Natürlich, es gibt überall etwas, das stört. Das Tal ist feucht, und es wäre schön, wenn es bei der Hütte etwas sonniger wäre – jetzt im September leben wir bis zwei Uhr im Schatten. Die Geissen würden es schätzen, wenn es etwas mehr Felsen gäbe, wo sie an den Schärmen könnten. Aber dafür hat es keine Strasse, keinen Krach, keine Flugzeuge. Ich bin schön allein, das ist es, was ich gesucht habe.»

Dass der Wanderweg direkt an den Hütten vorbeiführt, damit kann er leben. Manchmal wäre er zwar lieber noch weiter weg, wo gar niemand mehr vorbeikommt. Wo nicht irgendwelche ahnungslosen Wanderer gleich den Tierschutz anrufen, wenn sie eine hinkende Geiss sehen. Anderseits bringt die kleine Alpbeiz etwas Geld, gerade genug, um den Lohn seiner Mitarbeiterin zu zahlen. «Und ich mache es auch, um das Image zu behalten – nicht meins, sondern das der Älpler allgemein. Sonst heisst es wieder, die jammern immer, aber kaufen kannst du bei ihnen doch nichts.»

Es ist sein neunzehnter Alpsommer. Eigentlich schon sein dreiundzwanzigster, denn bereits als Schüler ging Felix in den Sommerferien z’Alp, «vom ersten bis zum letzten Tag». Er erinnert sich genau an jede einzelne seiner Arbeitsstellen, weiss noch im Detail, wo er wie viele Tiere zu betreuen hatte. «Vier Sommer auf der Blackenalp, Surenen, 630 Rinder, 450 Schafe, 10 Kühe. Dann habe ich selber etwas gepachtet mit 17 Kühen und 20 Rindern. Kühe, Rinder, Geissen, Schafe – ich habe eigentlich alles ausprobiert.»

«Die Kühe sind mir verleidet»

Aber meistens stand das Rindvieh im Mittelpunkt. Das begann ihn zu stören. «Die Kühe sind mir verleidet. An der Bauernschule und überall heisst es, du solltest nur Brown Swiss haben, sie sollten vierzig Liter Milch geben und alle neun Monate kalbern. Aber diese Kühe leiden auf unseren stotzigen, steinigen Alpen. Meistens beginnt es mit den Beinen: Sie haben riesige Klauenprobleme, zum Teil müssen sie heimgeflogen werden. Und sie sind träge, du bringst sie nicht in die Planggen hoch – unten hat es nichts mehr zu fressen, obendurch verfault es. Und dann werden Maiswürfel hochgeflogen mit dem Heli. Wenn du diesen Brown Swiss kein Kraftfutter ins Futter steckst, dann fallen sie auseinander.»

Das wollte er nicht mehr mitmachen. Er hatte andere Pläne. «Im Kanton Uri gab es keine einzige Geissalp. Viele gaben ihre Geissen ins Tessin oder ins Bernbiet auf Alpen – ich sagte mir, hier gibt es auch Geissengebiete, warum müssen die denn alle zusammen aus dem Kanton Uri raus? Ich sah, dass Geisskäse eine Marktlücke sein könnte, und machte mich auf die Suche.»

Einfach war es nicht. Felix pachtete eine Alp im Maderanertal, kam aber mit dem Eigentümer nicht aus. Auch in Andermatt, wo er Schafe und Ziegen auf der gleichen Alp betreute, ging es nicht besser: «Vorher war das eine unbehirtete Schafalp, wo nur einmal in der Woche jemand vorbeikam. Drei Bauern waren beteiligt. Dann hat einer die ganze Alp gepachtet und mich als Hirten angestellt, der zweite hat die Schafe dazugegeben, aber der dritte hat nicht mitgemacht. Da musste er auf eine andere Alp, das passte ihm nicht, und er hat mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Wenn etwas nicht richtig war, hat er es sofort dem Landwirtschaftsamt gemeldet. Ich hätte die Schafe zu lang an einem Ort, hätte zu früh gewechselt und so weiter – der war besser informiert als ich selber.» Die Andermattner sähen es sowieso nicht gern, wenn einer vom Urner Unterland bei ihnen arbeite.

Aber dann hatte Felix Glück. Im Erstfeldertal war eine Alp zu haben. Chüeplangg war, wie der Name sagt, einst eine Kuhalp, auch wenn sie viel zu steil aussieht dafür. Aber im Kanton Uri mussten die Kühe mit Alpen vorlieb nehmen, die in weniger stotzigen Gegenden höchstens Rinder- oder Schafalpen geworden wären. Felix kaufte Chüeplangg und machte eine Geissalp daraus.

«Ich habe genug zu fressen»

Gegen fünf Uhr abends ist es vorbei mit der Nachmittagsruhe. Nancy zieht mit den Geissen, die zuhinterst im Tal unter den Gletscherresten des Schlossbergs geweidet haben, zurück auf den Schattig Boden. Die Herde hat alle Farben: weisse Saanengeissen neben zotteligen hellbraunen Toggenburgern, gemsfarbige Gebirgsziegen und Bündner Strahlengeissen, schwarzweisse Pfauengeissen zwischen eleganten Nera Verzasca, wild gefleckter und milchkaffeebrauner Nachwuchs. Die Geissen lassen sich im Pferch nieder, kauen wieder, kratzen sich und lassen sich von den beiden Böcken umschwärmen. Felix wandert zwischen ihnen herum, begutachtet die Tiere und streicht einigen eine Salbe ums Maul: gegen Lippengrind, eine Viruskrankheit. Dann wirft er den Generator an und führt die ersten Tiere in den Melkstand mit zwölf Plätzen. Die einen können es kaum erwarten, andere müssen mit viel Gezerre überzeugt werden. Ein Wandererkind sitzt neben dem Pferch auf einem Felsblock und schaut fasziniert zu.

Felix hat die Geissen gern. Wenn er von ihnen spricht, klingt es fast, als wäre er ein Teil der Herde: «Ich habe genug zu fressen», sagt er, wenn er vom Futter spricht, das den Tieren hier oben zur Verfügung steht.

Nancy Kohl ist in der DDR aufgewachsen – «an einem Ort, wo ich noch nie gewesen bin», sagt Felix. Heute hat sie keinen festen Wohnsitz. Immer wieder zieht es sie nach Berlin, wo sie Freunde hat, da und dort unterschlüpfen kann – wenn sie nicht gerade in Tunesien, Laos oder Kasachstan unterwegs ist. Ungewöhnliche Nutztiere haben es ihr angetan: Sie ist in Marokko mit einem Esel herumgezogen, hat in Norwegen mit Rentieren gearbeitet und wollte im Fürstentum Liechtenstein Falknerin lernen. Dazu hat sie in einem Hotel angeheuert, das Falken als Touristenattraktion hält. «Am Ende stand ich die ganze Zeit hinter der Bar, und von den Falken sah ich gar nichts.» Auch auf Chüeplangg ist sie wegen ihrer Vorliebe gelandet: Auf der Zalp-Homepage hatte sie gelesen, dass es hier Yaks gebe. Die wollte sie sehen.

Nancy, die Weitgereiste, und Felix, der Eingesessene, verstehen sich gut. Am Morgen melken sie zusammen, danach käst Nancy, während Felix die ersten Gäste bedient. Am Nachmittag zieht sie los, um die Ziegen zu holen, während er zum Käsekeller schaut. Meistens wäscht sie das Milchgeschirr, dafür kocht er. Natürlich hätten sie manchmal Meinungsverschiedenheiten, sagt Felix. «Aber das gibt es allerorten.»

Die Geissen auf Chüeplangg gehören vielen verschiedenen Besitzern und Besitzerinnen. Die meisten kommen aus dem Urnerland, einige aber auch aus der Ostschweiz und dem Wallis. Nicht alle waren sich so steile Hänge wie im Erstfelder Tal gewohnt. Eine ging beim Alpaufzug gar verloren: «Sie war über ein Band hinuntergesprungen. Ich sah, dass ich da ohne Seil nicht hinunterkonnte, sie aber auch nicht mehr hoch. Ich nahm ein Tau mit, fing an, mich abzuseilen. Als sie mich sah – ich war noch etwa dreissig Meter weg –, seckelte sie schon wieder um die Ecke. Die war wild. Als ich sie endlich packen konnte, sprang sie fast mit mir über den Felsen hinaus. Zum Glück war ich angeseilt. Das gibt alles zusammen Arbeit! Für diese Geiss habe ich einen ganzen Tag gebraucht.»

Eigene Geissen hatte Felix bisher nur ein gutes Dutzend. Zu kompliziert war es im Winter ohne eigenen Hof: die Weide in Gurtnellen, drei Viertelstunden Fahrt von seinem Zuhause. Als letzten Herbst der Zaun kaputtgegangen war, kam er zu spät: «Am Abend rief jemand an, es habe Geissen auf dem Gleis. Bis ich dort war, waren vier schon unter den Zug gekommen.» Hat jemand böswillig den Zaun beschädigt? Felix vermutet es. Aber er kann es nicht beweisen.

Anfang 2009 konnte Felix nun einen kleinen Hof pachten, oberhalb von Attinghausen auf 1200 Meter Höhe. Ohne Zufahrt, aber das stört ihn nicht. Er will ein paar Gitzi aufziehen und seine kleine Herde vergrössern. Zu viele Tiere darf er allerdings nicht halten, weil er keinen Berufsabschluss hat. In die Schule ging er eben nie gern, nicht nur wegen der Propaganda für die Hochleistungskühe. Arbeit hat er im Winter trotzdem immer gefunden: beim Holzen im Schutzwald, beim Schneeräumen für die Furka-Oberalp-Bahn oder auf dem Bau. Wenn es Schnee hat, nimmt er von der Haustür bis zur Strasse die Ski.

Geologen und Biologen

An der Flanke des Erstfelder Tals, hoch oben auf der rechten Seite, bewegt sich der Hang. Am Talsträsschen warnen Schilder vor Steinschlag. Niemand soll länger in der Gefahrenzone bleiben als nötig. Dort oben habe es eine Messstation, erzählt Felix. «Da gehen die Geologen zwischendurch schöne Tage machen. Fliegen am Morgen mit dem Helikopter rauf, und am Abend holt sie der Helikopter wieder. Sie kommen meistens an den schönen Tagen, an den wüsten siehst du keine.» Er lacht. Aber er traut diesen Leuten nicht. Denn ob und wann der Berg einmal zu Tal donnert, wissen sie ja auch nicht.

«Das kann heute kommen – das kann in fünfzig Jahren kommen. Das kann in hundert Jahren kommen oder morgen.» Felix’ Augen blitzen, als er das sagt. Es scheint ihn zu freuen, dass die Spezialisten nicht immer das letzte Wort haben. «Gefährliche Hänge gibt es an vielen Orten im Kanton Uri. Beim Holzen sehen wir auch einiges und müssen selber entscheiden, ob wir es melden oder nicht. Da müssen zum Teil auch die Geologen beide Augen zudrücken. Sonst könnten sie die Autobahn gleich zumachen.»

Auch auf der anderen Seite das Tals, an den Sonnenhängen, steigen Spezialisten herum: «Da zählen die Biologen Blumen und Schmetterlinge und legen fest, wo man wildheuen sollte.» Auch sie seien nur an schönen Tagen da, versichert Felix. Gegen das Wildheuen habe er gar nichts, aber: «Es heisst immer, die Bauern sollten grössere Höfe haben, wann haben sie da noch Zeit zum Wildheuen? Zehn Hektaren steiles Gelände heuen genügt für einen Sommer. Und dass es dort diese schönen Blumen gibt, das haben wir nicht den Biologen zu verdanken. Sondern den Vorfahren.»

Früher wurde jeder erreichbare Flecken gemäht – auch dort, wo es sogar für Rinder und Ziegen zu gefährlich war –, weil jede Ladung Heu dringend gebraucht wurde. Die Artenvielfalt war ein Nebenprodukt dieser naturnahen Nutzung. Heute ist es oft umgekehrt: Das Heu ist Nebenprodukt einer Naturschutzmassnahme. Mancherorts wird es nach dem Mähen liegen gelassen und verfault. Für Felix eine absurde Sache. Er versteht auch nicht, warum jene, die die Blumen zählen, mehr verdienen als jene, die in harter Handarbeit die Hänge heuen.

Wird alles gut?

Um die Jahrtausendwende lancierte Pro Natura die Idee eines zweiten Schweizer Nationalparks. Auch die Urner Alpen waren in der Diskussion. Eine Machbarkeitsstudie zeigte 2003, dass ein Nationalpark auf beiden Seiten des Reusstals möglich wäre – allerdings auf Kosten der Alpnutzung, da in der Kernzone eines Nationalparks laut internationalen Standards keine Landwirtschaft erlaubt ist. Das Projekt stiess bereits bei den ersten öffentlichen Diskussionen auf so grossen Widerstand, dass die Urner Regierung es nicht weiterverfolgte. Inzwischen ist die «Verordnung über die Pärke von nationaler Bedeutung» in Kraft getreten. Auch sie verbietet die Landwirtschaft in der Kernzone, macht aber eine Ausnahme für «traditionelle Weidenutzungen auf klar begrenzten Flächen» – darunter würde wohl auch die Alp Chüeplangg fallen. 2003 gab es diese Grundlage noch nicht.

Jetzt ist ein neues Projekt startbereit: der Naturpark Urschweiz, zu dem Teile Nidwaldens, das Engelberger Tal und die linke Seite des Urner Reusstals gehören sollen. Ein Naturpark dient der Erhaltung der Landschaft und ihrer touristischen Vermarktung – anders als in einem Nationalpark ist die bäuerliche Nutzung darin ausdrücklich erwünscht. Felix ist trotzdem skeptisch. «Sie versprechen mehr Touristen, mehr Einnahmen. Alles werde gut. Aber für uns Bauern wird der Spielraum enger werden. Wir sind so wenige im Urner Unterland, wir haben keinen Einfluss mehr.»

«Die Jungen wollen nicht mehr z’Alp. Klar, heute sagt bei vielen der Chef: Wenn du bis Herbst weg bist, musst du gar nicht mehr kommen. Aber ich verstehe sie nicht. Solange du keine Familie hast, ist das doch nicht so schlimm. Man findet doch immer Arbeit, wenn man will. Als Familienvater ist es etwas anderes, aber vorher? Dafür arbeiten heute manchmal Leute aus der Stadt auf den Alpen. Aber die meisten bleiben nicht, bis sie die Arbeit wirklich beherrschen.»

Es ist dunkel geworden. Felix hat Schweinsvoressen mit viel Sauce gekocht, sie haben zusammen gegessen, dann hat sich Nancy in ihre Hütte zurückgezogen. Der Mond scheint so hell, dass die Wäsche auf der Leine farbig leuchtet. Felix holt sein Gewehr und reinigt es, beruhigt die Hunde – «keine Angst, Mira, ich erschiess dich schon nicht». Morgen beginnt die Jagd. Felix wird versuchen, eine Gämse zu schiessen. Er verabschiedet sich von den Hunden und geht schlafen. Er will morgen früh los.



Giorgio Hösli und Paul Hugentobler (Hrsg.): Hirtenstock und Käsebrecher. Älplerinnen und Älpler im Portrait. Zalpverlag. Mollis 2010. 330 Seiten, 470 Farb- und Schwarzweissbilder. 74 Franken. www.zalpverlag.ch

Alpwirtschaft in der Schweiz

Die Alpweiden der Schweiz sind mehr als eine halbe Million Hektar gross. Sie bedecken somit fast ein Siebtel der Landesfläche. Heute gibt es zirka 7300 Alpbetriebe – vor dreissig Jahren waren es noch über 10000. Vom Zuwachsen bedroht sind vor allem Alpen im Tessin und in den Südtälern Graubündens.

Gekäst wird nur auf etwa 1500 Alpen, weitere 3000 liefern die Milch ins Tal. Auf den übrigen verbringen Mutterkühe, Jungrinder oder Fleischschafe den Sommer.

Trotz vergleichsweise guter Preise für Alpkäse wäre die Alpung ohne staatliche Unterstützung ein Verlustgeschäft. Deshalb bezahlt der Bund jährlich Sömmerungsbeiträge. 2008 waren es 92 Millionen Franken. Die Bewirtschaftung der Alpen vergrössert die Futtergrundlage der Bergbauernhöfe, fördert den Tourismus und erhält Landschaften mit einer hohen Biodiversität. Das Buch «Hirtenstock und Käsebrecher» erwähnt noch einen weiteren ökologischen Aspekt: «Durch die Alpwirtschaft werden zirka 15 000 Alpleute der Ferienindustrie entzogen, was einer CO2-Verminderung entspricht, die noch nicht berechnet wurde.»

Trotz Sömmerungsbeiträgen schicken immer weniger BäuerInnen ihre Tiere auf die Alp. Denn viele sind heute derart unter Zeitdruck, dass sie den Zusatzaufwand für Transporte oder Gemeinschaftsarbeiten nicht mehr in Kauf nehmen wollen. Und Milchkühe mit hoher Leistung sind ohnehin nur bedingt alptauglich – die Futterumstellung und das raue Gelände sind eine hohe Belastung für ihre empfindlichen Mägen und Klauen.

Zum Buch

Die jüngste ist fünfzehn, der älteste bald neunzig – und auch sonst lassen sich die ÄlplerInnen, die im neuen Buch «Hirtenstock und Käsebrecher» porträtiert werden, nicht in einen Topf werfen. Sie arbeiten einsam oder im Kollektiv, traditionell oder alternativ, auf einer Waldlichtung im Toggenburg oder an der Schneegrenze im Wallis, mit Fleischschafen oder Milchziegen, Mutter- oder Milchkühen. Die beiden Fotografen und fünf TextautorInnen (darunter «Zeit»-Mitarbeiter Rüdiger Dilloo und WOZ-Redaktorin Bettina Dyttrich) werfen einen neugierigen, aber nicht naiven Blick auf Weiden, in Käsekeller und Ställe: Sie alle kennen die Arbeit auf der Alp auch aus der Praxis.

Giorgio Hösli, Paul Hugentobler (Hrsg.): «Hirtenstock und Käsebrecher. Älplerinnen und Älpler im Portrait». Zalpverlag. Mollis 2010. 330 Seiten, 470 Farb- und Schwarzweissbilder. 74 Franken. www.zalpverlag.ch